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Wir können die Kinder nicht mehr füttern.

Das Video von einem erzürnten Palermitaner, der fragt, wann den nun die versprochenen Hilfen kommen?! Wir haben kein Geld mehr und unsere Kinder laufen Gefahr dass sie hungern müssen.

Der Süden, Mezzogiorno, in Italien wird traditionell ausgebeutet und von Seiten Roms belogen. Wird diese Wut der Auslöser, dass die Menschen endlich wieder in die Strassen und Plätze gehen um wieder in die “Normalität” zurückzukehren, oder aber vielleicht mit der Teilnahme von Subversiven anfangen, sich gänzlich verlorene Räume zurückzunehmen und alle Ausbeuter in die Hölle zu schicken?

 

"Signor Conte, ma quando arrivano gli aiuto?"

"Signor Conte, ma quando arrivano gli aiuto?"Invia la tua segnalazione Whatsapp al n. 3774388137

Gepostet von BlogSicilia am Mittwoch, 25. März 2020

Von Mücken und Flammenwerfen

Dieses Video erklärt sich jedem Menschen von selbst, der seinen Kopf noch mit einer Grundportion Hausverstand auf dem Kopf trägt und nicht mehr ausschliesslich als Stöpsel benutzt, damit die ganze Scheisse, die sich über die Jahrzehnte im Körper angesammelt hat, nicht aus dem Hals herausquillt.

Der Präsident der Provinz Kampanien, Vincenzo De Luca

Der Bürgermeister von Messina, Sizilien Cateno De Luca

Bürgermeister von Bari, Antonio Decaro

Bürgermeister von Gualdo Tadino, Massimiliano Presciutti

Antonio Tutolo, Bürgermeister von Lucera

Giuseppe Falcomatà, Bürgermeister von Reggio Calabria

als einige der Verantworlichen der Massenpanik und wiederentflammten Massenpsychologie des Totalitarismus

Deutsche Untertitel

Notizen des Seucheninstinkts [Note epide(r)miche]

Sein Name ist mir letzte Woche buchstäblich in den Sinn gekommen. Ich war unterwegs, um Brot zu holen, und als ich in der Bäckerei ankam, zählte ich instinktiv diejenigen der Kunden, die dort ein- und ausgingen, die die Maske trugen. Dort ist mir das passiert. Mir wurde plötzlich klar, dass ich gerade die Zählung des deutschen Philologen Victor Klemperer, eines Zeugen und Gelehrten des Aufstiegs des Dritten Reichs, wiederholt hatte: “Unsere Moral ändert sich von Tag zu Tag. Wir zählen, wie viele Menschen in den Geschäften “Heil Hitler!” und wie viele “Guten Morgen” sagen. Gestern sagten in der Bäckerei fünf Frauen “Guten Morgen” und nur zwei “Heil Hitler”: Die Moral steigt. Heute, in der Metzgerei, sagten alle: “Heil Hitler”… die Moral geht unter.” Ich gebe zu, dass ich genau in diesem Moment ein Frösteln im Nacken verspürte.
Die erneute Lektüre seines Tagebuchs half mir nicht, meine Unruhe zu überwinden, ganz im Gegenteil. Ich hab das starke Bedürfnis, all die blutrünstigen Unterschiede hervorzuheben, die uns von diesen Jahren trennen, die Ähnlichkeiten sind jedoch immer noch augenscheinlich. Erschreckend, wenn auch fast ohne Blutflecken. Schon damals war die Bevölkerung davon überzeugt, dass sie von einem gefährlichen Virus, “dem Juden”, bedroht war, der sie infizieren könnte. Und in kurzer Zeit wurde ein ganzes Land, das für seinen enormen Beitrag zur Philosophie bekannt ist, von einer Art Massenwahn überwältigt. Die lächerlichsten Überzeugungen verbreiteten sich wie ein Lauffeuer und drängten gewöhnliche Männer zu den anomalsten Taten. Und dann das bewusste Ansprechen von Gefühlen, um jede kritische Reflexion abzuwehren, die hämmernde Kriegsrhetorik, die Obsession der Technik, um Homogenität zu erreichen…
Ja, inmitten jener Lektüre habe ich verstanden, dass das tödliche Virus, das heute ausgerottet werden muss, gar nicht Covid-19 ist. Wir sind es. Wir, die wir, wie die Juden, das Haus nicht mehr verlassen können. Wir, die wir nicht mehr in Bibliotheken, Kinos, Restaurants, Parks gehen können… Wir, die wir die Schwelle nur so lange überschreiten dürfen, wie es nötig ist, um die Grundbedürfnisse zu befriedigen. Wir, die wir gezwungen sind, unsere Anwesenheit dem ersten Uniformierten, die uns auf der Straße über den Weg läuft, zu rechtfertigen. Wir, die wir uns mit dem gleichen Refrain von damals trösten (“Der totale Wahnsinn kann nicht auf Dauer anhalten, wenn der allgemeine Rauschzustand verschwunden ist und nur noch große Kopfschmerzen hinterlassen haben wird”). Wir, die wir die Sprache des Feindes sprechen. Wir, unter jenen es nicht an denen mangelt, die die Autorität bewundern. Wir, die wir jeden Tag an unsere elektronischen Geräte angeschlossen um auf die frohe Nachricht vom Ende des Albtraums zu warten.
Aber es wird niemals enden, ja sogar noch schlimmer werden, wenn wir ihm nicht selbst ein Ende setzen. Wie der Autor von der Pest sagte: “Hoffnung ist entgegen der landläufigen Meinung gleichbedeutend mit Resignation. Und zu leben bedeutet nicht, zu resignieren”.

Vor einigen Tagen äußerte ein Epidemiologe, der an einer berühmten amerikanischen Universität lehrt, seine ganze Besorgnis über die Geschehnisse. Was ihn erschreckt, ist weniger die aktuelle Epidemie als vielmehr das, was sie hervorgerufen hat, nämlich eine politische und gesellschaftliche Reaktion, die weitgehend von der Angst diktiert wird. Seiner Meinung nach besteht die ernste Gefahr, dass wir wie der Elefant enden, der in Panik vor einem Mausangriff versucht, durch einen Sprung von einer Klippe zu entkommen. Mangels genauerer Informationen über die tatsächliche Gefahr des Virus und insbesondere über die Tiefe der Klippe könnte sich das Mittel als tödlicher erweisen als die Krankheit. Um der Argumentation willen geht er sogar so weit, das katastrophalste Szenario zu beleuchten (obwohl er deutlich macht, dass er es nicht für wahrscheinlich hält): Das Virus wird 60% der Menschheit infizieren und 40 Millionen Tote verursachen, eine Zahl, die der 1918-20 durch die Spanische Grippe verursachten Zahl entspricht. Allerdings mit einem grundlegenden Unterschied. Dass das Coronavirus ein Massaker an alten und schwerkranken Menschen zu verursachen droht, während die Spanische Grippe den Tod gleichermaßenunter allen gesät hatte, junge Menschen und Kindern mit eingeschlossen. Nun, dieser Epidemiologe fragt sich, wie viele und welche Opfer es geben wird, wenn sich der Elefantenmensch über die Klippe stürzt? Macht es Sinn, dass zur Vermeidung des Todes von Millionen von Menschen mit kurzer Lebenserwartung man das hohe Risiko eingeht, den Tod von Milliarden von Menschen zu provozieren einschliesslich derer die eine lange Lebenserwartung aufweisen?
Man wird sagen, dass dies die Argumentation von Buchhaltern ist, ein typisches Ergebnis des angelsächsischen Pragmatismus. Das stimmt, weshalb es für diejenigen, die nur an ihr eigenes Interesse und ihr Überleben denken, vielleicht der nachvollziehbarste Gedankengang ist. Wir haben die Blindheit und Taubheit und den national-populären Schweigsamkeit angesichts des Gemetzels zur Kenntnis genommen, die die Maßnahmen der Regierung selbst über die geringste Freiheit und Menschenwürde bringen, aber werden die Bürger, die die erzwungene Aussetzung des öffentlichen Lebens billigen, die unzähligen Opfer dieser Massenhysterie zur Kenntnis nehmen?Angefangen bei denjenigen, die heute bereits sterben, denjenigen, die aus Angst vor dem Ergebnis des Abstrichs Selbstmord begehen (wie geschehen in Venetien), denjenigen, die abgeschlachtet werden, weil sie versuchen, die Verzweifelten von der Inhaftierung zu bewahren (wie geschehen in Lazio), denjenigen, die aus Mangel an medizinischen Mitteln sterben, die alle in den Notfall umgeleitet werden (wie geschehen in Apulien). Und unter den Marginalisierten und Ärmsten, denjenigen, die schon gestern darum kämpften, über die Runden zu kommen, wie viele werden keine Chance mehr haben und völlig unter die Räder kommen? Und was wird danach mit denjenigen geschehen, die in den vielen Betrieben gearbeitet haben, die sich nicht mehr erholen können werden und ohne Arbeit dastehen werden? Ganz zu schweigen davon, wenn die Aktien, die an der Börse zusammengebrochen sind, zusammengeharkt und für ein paar Cent gekauft werden, und so ein paar sehr wenigen Haien erlauben, viele kleine und mittlere Fische, die durch die Schwäche erschöpft sind, zu verschlingen. Wie viele Tote werden in fast allen gesellschaftlichen Bereichen durch die Explosion all dieser Verzweiflung verursacht, die sich vor unseren Augen auftürmt?
Haben sich das die italienischen Angeber und Wahnsinnigen gefragt, nachdem sie Masken getragen, sich mit Antiseptikum besprüht und sich zu Hause verbarrikadiert haben – auf die Balkone gehen und im Chor “Wir sind bereit zu sterben” singen? Wir werden bald sehen, ob und wie bereit sie dafür sind.

Die alte Kriegspropaganda beruhte auf Desinformation, Manipulation und Zensur. Das bedeutet, dass die Fakten vor der Meldung ordnungsgemäß ausgewählt, schöngefärbt oder völlig verschwiegen wurden. Ziel war es, ihre krude Realität so weit wie möglich dem Blick eines aufmerksamen Blicks zu entziehen. Heute ist zu diesen Techniken (die immer präsent sind, man denke nur an das Schweigen, das den Ärzten, die aus der Reihe tanzen, auferlegt wird) eine weitere hinzugekommen, die Undifferenziertheit dem Exzess bezüglich. Die Informationen werden mit solcher Geschwindigkeit und in solcher Menge gegeben, dass sie es einem verwirrten und überlasteten Bewusstsein nicht erlauben, ihre Bedeutung zu erfassen und zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Es ist ansatzweise die gleiche Methode, die Edgar Allan Poe in dem Gestohlenen Brief verwendet hat; es ist nicht nötig, ihn zu verstecken, es reicht, ihn nicht sichtbar werden zu lassen, indem man ihn unter tausend anderen Firlefanzen ablegt.
Unter den “Leugnern” der laufenden Pandemie geht das Gerücht um, dass es nur sehr wenige Coronavirus-Tote gibt. Es handelt sich offensichtlich um eine Fake News (für die Sprachantiquierten; eine Zeitungsente), der man keine Anerkennung zollen sollte. Die wahre Wahrheit kennen nur Experten im direkten Dienst des Staates, wie zum Beispiel Beamte des höheren Gesundheitsamts [Istituto Superiore di Sanità]. Sie wissen, wie die Dinge stehen. Hören wir sie uns an und lesen wir ihre Berichte also. Vor einigen Tagen haben sie folgende Zahlen in die täglich heruntergerasselten Kriegsnachrichten eingestreut: Nach den neuesten Wochenstatistiken machen die Opfer, die ausschliesslich wegen des Coronavirus sterben 0,8% der Gesamtzahl der auf die Pandemie zurückzuführenden Todesfälle aus. Alle anderen, denen das Virus nur den letzten Schlag versetzt hat, waren bereits schwer krank, oft schon mehr im jenseits als noch hier. Wenn die Mathematik keine Meinung ist und wenn diese Daten als allgemeiner Parameter verwendet werden können, bedeutet dies dann, dass ein Land mit sechzig Millionen Einwohnern, von denen die überwiegende Mehrheit bei guter Gesundheit ist, durch die Angst vor einem Virus gelähmt wurde, das … mehr oder weniger vierzig gesunde Menschen getötet hat? Das sind etwa 0,07% aller Infizierten?
Dies hilft uns zwar nicht sehr gut zu verstehen, warum das Belpaese plötzlich praktisch zu einem Polizeistaat geworden sind, und zwar mit der allgemeinen Anerkennung ihrer neuen Untertanen, aber es würde zumindest die Diskrepanz zwischen der dem Coronavirus zugeschriebenen Sterblichkeitsrate in Italien und der des Restes der Welt erklären. Wenn es beispielsweise in Deutschland viel weniger Opfer gibt, dann liegt das daran, dass dort nur oder vor allem die Todesfälle durch den Coronavirus gezählt werden, nicht die Todesfälle u.a. mit Coronavirus. Andererseits, warum sollte es anders gemacht werden? In Bayern genügte es, das italienische Beispiel zu nennen, um die Bevölkerung zu terrorisieren und sie dazu zu bringen, drakonische Maßnahmen zu akzeptieren. Das ist der Fortschritt der Zeit. Hitler musste sich nicht nur von Mussolini inspirieren lassen, sondern ihn auch auf grausame Weise überwinden.

Natürlich ist es peinlich, in diesem Ausmaß wie Schwachsinnige behandelt zu werden. Schließlich haben die Behörden nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Motivation. Die Massenmedien wenden sich unterschiedslos an alle, nicht an jeden im Einzelnen. Wenn also die Menschen ihre Dummheit bei mehr als einer Gelegenheit gezeigt haben, haben auch die mutmaßlich dazu gehörenden Personen viel zu beklagen, aber sehr wenig worüber sie sich wundern dürfen. Führen wir uns also noch eine weitere Studie der üblichen Experten zu Gemüte, die zu dem Schluss gekommen sind, dass das Fortschreiten der Virusinfektion nichts mit der Luftverschmutzung zu tun hat, wie einige Ärzte behaupten. Ob die Luft voller Sauerstoff oder Kohlendioxid ist, macht für das Virus keinen Unterschied.
Aber es macht einen Unterschied für die Menschen, und welchen!

Tatsächlich geht es nicht so sehr um die Hypothese, dass die verunreinigte Luft ein Vehikel für eine Infektion ist, sondern um die Gewissheit, dass sie die Letalität des Virus begünstigt. Die Umweltverschmutzung hilft dem Virus vielleicht nicht bei der Übertragung, aber sie erhöht sicherlich seine Fähigkeit zu töten. Indem es insbesondere die Atemwege trifft, ist es offensichtlich, dass es dort gefährlicher ist, wo die Gesundheit der Lunge bereits beeinträchtigt ist. Es genügt zu sagen, dass die große Mehrheit der Opfer Raucher oder Einwohner der am stärksten industrialisierten Regionen Italiens waren. Wenn man bereits schlecht atmet, ist es klar, dass sich eine Lungenkomplikation tödlich auswirken kann. Und um diese triviale logische Schlussfolgerung zu widerlegen, die irritierend ist, weil sie die Industrieabgase in Diskussion stellt, was tun sie also? Verschieben sie die Rahmenbedingungen der Frage und versichern sie uns, dass die Infektion auch an der frischen Landluft auftreten kann?

Ein multipler und dauerhafter Orgasmus, das ist es, was die Ausübung von Macht heutzutage denjenigen, ob klein oder gross, demonstriert. Der Ausnahmezustand hat jedweden Durst nach Schikanen und alle Arten von Arroganz hervorgerufen. Vom ersten Minister bis zum letzten Bürgermeister ist alles zu einer Anordnung, einer Regelung, einem Verbot, einer Drohung geworden. Es spielt keine Rolle, dass diese Vorschriften absurd, nutzlos und sogar widersprüchlich sind. Die Straßen und Plätze sind leer, jeder hat sich in seiner Angst eingeschlossen. Das Territorium ist geräumt, es ist völlig in der Hand des Gesetzes. Nachdem die Polizei und die Armee die Straßen besetzt haben, sind nun die Drohnen an der Reihe, die sich erheben um den Himmel zu verdunkeln. Das ganze Land wird zu einem riesigen Panoptikum, einem gigantischen Freiluftgefängnis, in dem jeder Machtmissbrauch erlaubt ist und wo die schlimmsten menschlichen Instinkte bereits entfesselt werden. Vom letzten Armen bis zu den ersten Reichen ist es in der Tat auch alles ein Observieren, Verdächtigen, Zurechtweisen und Anzeigen. Eingesperrt in ihren mehr oder weniger komfortablen Zellen singen viele Gefangene jeden Tag aus ihren Fenstern. Aber es ist kein Protestschlag, sondern eine Hymne an die freiwillige Knechtschaft.
Aufgequollen und diesen absoluten, unangefochtenen Mächten gegenüber fast ungläubig, zeigen die Herrschenden keine Vorsicht mehr, wenn sie ihr Grunzen herauslassen. “Turin ist gehorsam”, freut sich ein piemontesischer Quästor. “Sofort mit dem Gesuch auf Verurteilung der Unverantwortlichen”, donnert ein apulischer Staatsanwalt. “Die Zeit ist gekommen, Italien zu militarisieren”, fordert einen Gouverneur aus Kampanien. Der Wunsch nach dem Kriegsrecht scheint unaufhaltsam zu sein.
Und die Warnung, die in anderen dunklen Zeiten von einem alten Anarchisten ausgestoßen wurde, hallt in unseren Köpfen wider: “Es ist eine Niederlage, die weggespült werden muss, erinnern Sie sich gut daran; weder Tiger, noch Schakale, die vielleicht noch besser sind als die republikanischen Justizmächte, werden euch nicht einmal die Augen zum Weinen lassen”.

Wie jeder Beschäftigte im Gesundheitswesen gut weiß, ist die so genannte Primärprävention die wichtigste Prävention, weil sie darauf abzielt, den Ausbruch einer Krankheit zu vermeiden. Eine gute Idee, nämlich die, der Ursache des Übels zuvorzukommen, indem man verhindert, dass es sich manifestiert und seine Folgeerscheinungen verursacht. Aber wer sollte sie umsetzen und wie? Nachdem wir jede Autonomie aufgegeben haben, vertrauen wir dem Staat die Aufgabe an, jeden Aspekt unseres Lebens zu verwalten. Gesundheit ist nicht mehr etwas, um das sich jeder selbst kümmern sollte, sondern eine “öffentliche Sache”, die als solche von oben herab verwaltet werden sollte. Und an der Spitze gibt es nur zwei Möglichkeiten, sich darum zu kümmern: entweder durch Impfstoffe oder durch den Versuch, einzelne Risikofaktoren zu reduzieren (Verhängung von Sicherheitsmaßnahmen, Durchführung von Sensibilisierungskampagnen usw.).
Das erklärt, warum man uns heute, da es noch keine, noch nicht erfundenen geheimnisvolle magische Medizin gibt, vorschlägt, wo es nicht gleich vorgeschrieben ist, eine Maske aufzusetzen, bevor wir uns auf die Straße wagen. Nun, abgesehen davon, dass die überwiegende Mehrheit der Masken auf dem Markt mitnichten vor dem Virus schützt; abgesehen davon, dass die wenigen, die tatsächlich diesem Zweck dienen, dem medizinischen Personal und den Angehörigen der Infizierten überlassen werden sollten (“unverantwortliche Egoisten” sind eher diejenigen, die sie zum Einkaufen aufsetzen und verschwenden); aber wie kann man dabei nicht verstehen, dass die beste Prävention gegen jeden Virus darin besteht, die Immunabwehr durch eine gesunde und vitaminreiche Ernährung mit viel Obst und Gemüse, Bewegung im Freien, Ruhe und Erholung sowie die Einnahme vielfältiger natürlicher Substanzen zu stärken? Und dass man demzufolge, wenn man sich unter Panikstress, ohne Sonnenstunden und saubere Luft zu atmen, in einem Raum einschließt, einen diametral entgegengesetzten Effekt hat, d.h. man seinen Körper schwächt und ihn anfälliger für Ansteckung macht?
Was die Prävention der Ursachen betrifft, die Krankheiten begünstigen, so ist es sicherlich nicht ein pathogener Zustand, der zu dieser beitragen kann. Sogar die Virologen selbst geben zu, dass dieses Virus eine typische Krankheit der modernen Zivilisation ist. Nicht, weil sie in der Vergangenheit nicht hätte auftreten können, das sei klar gesagt, sondern weil ihre Auswirkungen noch vernachlässigbarer gewesen wären, als sie das heute sind. Wie bei einem Erdbeben ist es die derzeitige soziale Organisation, die die Konsequenzen heute noch verschärft hat. Wenn es den gesamten Planeten infiziert, dann deshalb, weil es Überträger gefunden hat, die von einem Kontinent zum anderen fliegen und in immer überfüllten Städten leben. Wenn sie auf ein kleines, abgelegenes Dorf beschränkt gewesen wäre, wer hätte dann jemals davon gehört? Darüber hinaus ist der Übergang eines Virus vom Tier auf den Menschen wahrscheinlicher, wenn sich die beiden Spezies mit Abholzung, Straßenbau auf unberührtem Territorium und Verstädterung einander nähern. Wie ein Virenforscher ebenfalls einräumte, “wir erzeugen Lebensräume, in denen Viren leicht übertragen werden können, dann aber wir sind überrascht, wenn dies geschieht”.
Was ist also die beste Primärprävention?

[24/03/20]

Quelle

Update zur Situation in der JVA Köln-Ossendorf V

Hülya konnte heute für zwei Minuten anrufen. Leider war das nicht genug Zeit, um ausführlicher darüber zu reden, was passiert ist und wie es ihr geht.
Was wir jetzt wissen ist, dass es ihr den Umständen entsprechend gut geht und sie den Hungerstreik abgebrochen hat.
Der Anwalt kam noch nicht zu ihr durch und Post konnte sie auch noch nicht rausschicken.
Es gab kurz das Gerücht, dass vielleicht alle Gefangenen im offenen Vollzug, die nicht arbeiten, in den geschlossenen Vollzug zwangsverlegt wurden, aber das scheint nicht so zu sein. Hülya wurde als einzige wieder eingesperrt, weil sie berechtigterweise gegen die Knast-Praxis bezüglich der Pandemie im offenen Vollzug protestiert hat. Das zeigt einerseits eigentlich nur, wie nervös die Verantwortlichen in Ossendorf diesbezüglich sind und andererseits, dass wenn sich berechtigter Protest entwickelt, sofort repressiv geantwortet wird.
Besuche sind mittlerweile nicht mehr direkt, sondern über Skype möglich. Wir sind gespannt, inwieweit das funktioniert, abgesehen davon, dass das natürlich auch die totale Kontrolle ermöglicht, sofern Angehörige und Freund*innen überhaupt dazu in der Lage sind, Skype zu benutzen.

Für die Freiheit der Gefangenen!

Hülya freut sich über Post, schreibt ihr:

Achtung, neue Buchnummer!: 83209

JVA Köln
Rochusstrasse 350
50827 Köln

Quelle:

http://panopticon.blogsport.eu/2020/03/23/update-zur-situation-in-der-jva-koeln-ossendorf-v/

Einzelfälle, #2 [Kein Lotto aufgrund des Corona Dekrets; schiesst zuerst auf Trafikantin und erschiesst sich dann selbst]

MESSINA, SIZILIEN – Er betritt die Tabakwarenhandlung und bittet darum, Lotto spielen zu dürfen, und als Antwort auf die Weigerung der Besitzerin schiesst er auf sie , wobei er ihr schwere Verletzungen zufügt. Sie befindet sich aber nicht in Lebensgefahr: mindestens einmal wurde sie in der Hüfte getroffen. Dann brachte sich Giuseppe Bucalo, 79 Jahre alt, um. Die Tragödie fand heute Morgen im Geschäft des Principale (ein Stadtteil im Südlichen Zentrum der Stadt), wo der alte Mann sich die Waffe an die Schläfe hielt und Selbstmord beging.

Die Frau wird derzeit in der Poliklinik von Messina thoraxchirurgisch operiert und befindet sich derzeit in einem nicht ernsten Zustand. Der über siebzig Jahre alte Mann, der sich im Ruhestand befand, starb auf der Stelle. Dies ist eine erste Rekonstruktion der Fakten. In der Zwischenzeit wurden die Ermittlungen der mobilen Einheit von Messina weiter verschärft. Vor Ort sind auch die Forensik und der diensthabende Richter.

 

Quelle:

https://palermo.repubblica.it/cronaca/2020/03/24/news/messina_tragedia_in_tabaccheria_spare_e_ferisce_titolare_e_poi_si_suicida-252165749/

 

sowie:

In Monza bringt sich eine Krankenschwester um, die positiv auf den Virus getestet wurde, sie hätte Angst gehabt, andere Leute angesteckt zu haben.

Sie war positiv auf Covid-19 getestet worden, vielleicht wegen des Stresses, die Müdigkeit, vielleicht aber die Sorge, andere Menschen angesteckt zu haben. Es war eine extreme, verzweifelte, letzte “Geste”, die einer Krankenschwester des San-Gerardo-Krankenhauses in Monza, die Selbstmord beging. Der nationale Verband der Krankenpflegeberufe (Fnopi) drückt in einer Notiz “all den Schmerz und die Bestürzung der Krankenschwestern über die Nachricht eines jungen Kollegen aus, der es nicht mehr ertragen konnte, und alle 450.000 Fachleute in Italien sammeln sich vereint und stark um Familie, Freunde und Kollegen herum”.

https://www.ilmessaggero.it/italia/infermiera_suicidio_monza_coronavirus_ospedale_san_gerardo_monza-5130353.html

Soziale Ansteckung Mikrobiologischer Klassenkampf in China

Wir haben diesen Text von Ende Februar vom Blog der Zeitschrift Chuang schnell übersetzt und online gestellt, um der ganzen Panik etwas Fundierteres entgegenzusetzen. Ein erster Kritikpunkt wäre, dass die Autoren die Industrialisierung als eine einzige Apokalypse beschreiben. Eine gute Grundlage für weitere Diskussionen ist der Text allemal!
Im englischen Original sind an vielen Stellen Links eingefügt, um Aussagen zu belegen. Wir haben sie nicht übernommen, ihr findet sie im Originaltext.

Der Hochofen

Umgangssprachlich gilt Wuhan als einer der »vier Hochöfen« Chinas. Den bedrückend feuchtheißen Sommer teilt es mit Chongqing, Nanjing und Nanchang (andere zählen Changsha auf), quirlige Städte mit einer langen Geschichte, am Yangtse gelegen oder nah an seinem Flusstal. Unter den Vieren glänzt Wuhan aber mit echten Hochöfen. Der massige urbane Komplex bildet so etwas wie einen Kern der Stahl-, Beton- und bauorientierten Industrie Chinas, sein Stadtbild gesprenkelt mit den langsamkühlenden Gebläsehochöfen der verbleibenden Stahl- und Eisenschmelzen im Staatseigentum, die geplagt von Überproduktion in eine weitere umstrittene Phase von Rückbau, Privatisierung und Umstrukturierung gezwungen werden – dies allein schon Ursache für mehrere große Streiks und Proteste in den letzten fünf Jahren. Auf den Punkt gebracht ist Wuhan die Hauptstadt der chinesischen Bauindustrie. Als solche hatte die Stadt eine besonders hervorgehobene Rolle in der Phase nach der (letzten) ökonomischen Krise, denn in dieser Zeit wurde das Wachstum durch Immobilien- und Infrastruktur-Projekte aufgebläht. Die Blase hat Wuhan nicht nur mithilfe seines Überangebots an Baumaterialien und Ingenieuren im Staatsdienst vergrößert, sondern wurde selbst zu einem Produkt des Immobilienbooms. Nach unseren Berechnungen hatten in den Jahren 2018-2019 die Baugrundstücke in Wuhan nach ihrem Umfang die Gesamtfläche der Insel Hongkong.

Inzwischen scheint dieser Antriebsofen der chinesischen Nach-Krisen-Ökonomie abzukühlen, ganz ähnlich denen der Stahl- und Eisenkocher. Obwohl der Vorgang schon seit einer Weile lief, stimmt das Bild neuerdings nicht nur im einfachen ökonomischen Sinn. Seit mehr als einem Monat ist die einst hektische Stadt abgeriegelt, sind ihre Straßen auf Regierungsanweisung entleert. »Der wichtigste Beitrag, den Sie leisten können, lautet: Versammeln Sie sich nicht, verursachen Sie kein Chaos« – so stand es groß gedruckt in der Guangmin-Tageszeitung, die unter der Leitung der Propaganda-Abteilung der KP Chinas steht. Die glitzernden Stahl- und Glasbauten in den neuen Prachtstraßen Wuhans liegen nun kalt und leer, während der Winter übers Neujahrsfest vergeht und die Stadt unter den Beschränkungen der Quarantäne stagniert. Sich zu vereinzeln ist ein kluger Ratschlag in China, wo das Ausbrechen des neuen Corona-Virus (kürzlich umbenannt in »SARS-CoV-2« und die von ihm ausgelöste Krankheit in »COVID-19«) bereits mehr als zweitausend Menschen das Leben gekostet hat – mehr als die SARS-Epidemie von 2003. Das ganze Land steht unter Ausgangssperre, wie schon bei SARS. Die Schulen sind geschlossen, und überall bleiben die Leute zusammengepfercht in ihren Wohnungen. Fast die gesamte Wirtschaftstätigkeit kam zum Neujahrsfest am 25. Januar zum Erliegen. Die Unterbrechung wurde auf einen Monat verlängert, um die Ausbreitung der Epidemie zu behindern. Es scheint, als hätten die Hochöfen Chinas aufgehört zu brennen, oder als würden sie nur noch schwach glühen. In einem anderen Sinn ist die Stadt selbst zu einem Ofen geworden, denn das Coronavirus brennt sich durch die Masse der Bevölkerung wie ein heftiges Fieber.

Das Ausbrechen der Krankheit ist fälschlich allem Möglichen zugeschrieben worden: vom verschwörerischen und/oder zufälligen Freisetzen einer Virengeneration aus dem Institut für Virologie in Wuhan – eine zweifelhafte Unterstellung, die durch soziale Netze, vor allem über paranoide Facebook-Posts aus Hongkong und Taiwan verbreitet, aber inzwischen von konservativen Pressestellen und militärischen Nutznießern aufgebläht wird – bis hin zur (angeblichen) Neigung der chinesischen Bevölkerung »unsaubere« oder »abartige« Nahrungsmittel zu verzehren. Dies Letztere, weil die Virenausbreitung auf Fledermäuse oder Schlangen zurückgeführt wird, die auf halblegalen, auf Wild und seltene Tiere spezialisierten wet markets1 angeboten werden (obwohl das nicht der tatsächliche Ursprungsort ist2). Diese beiden Themen rücken die offensichtliche Kriegstreiberei und den Orientalismus ins Blickfeld, die die Berichterstattung über China kennzeichnen, das haben schon einige kritische Medienartikel dargelegt. Doch auch diese Reaktionen tendieren zur Verengung auf die kulturellen Zusammenhänge des Virus – und beschäftigen sich weniger mit den weit brutaleren Kräften, die unterhalb des Medienzirkus im Verborgenen wirken.

Eine leicht abgewandelte Variante begreift wenigstens die ökonomischen Folgewirkungen, auch wenn die möglichen politischen Effekte in rhetorischer Absicht übertrieben werden. Hier begegnen uns die üblichen Verdächtigen, von den bekannten drachentötenden Kriegsfalken bis hin zu aufgeregten reichen Liberalen: Pressefirmen vom National Review bis hin zur New York Times orakeln bereits darüber, wie der Virenausbruch zur Legitimitätskrise der KP Chinas führen könnte, obwohl bisher kaum ein Hauch von Aufstand zu spüren ist. Doch der wahre Kern solcher Voraussagen liegt da, wo sie die wirtschaftlichen Dimensionen der Quarantäne erfassen – ein Aspekt, der Journalisten mit einem Aktien-Portfolio dicker als ihr Kopf schwerlich entgehen kann. Denn offenbar ist, dass die Leute trotz der Regierungsappelle zum Abstandhalten bald gezwungen sein werden, sich zu »versammeln«, um sich der Produktion zu widmen. Den letzten Schätzungen zufolge wird die Epidemie Chinas Wirtschaftswachstum auf fünf Prozent verlangsamen, unterhalb der bereits alarmierenden Wachstumsziffer von sechs Prozent im vergangenen Jahr, der niedrigsten in drei Jahrzehnten. Einige Analysten haben prognostiziert, das Wachstum im ersten Quartal könnte auf vier Prozent oder noch tiefer sinken, und es könnte hieraus eine weltweite Rezession entstehen. Eine bislang undenkbare Frage wurde gestellt: Was kommt eigentlich auf die Weltwirtschaft zu, wenn der chinesische Hochofen erkaltet?

In China selbst ist der Verlauf dieser Ereignisse schwer vorauszusagen, doch hat der Augenblick bereits einen raren Prozess des gemeinschaftlichen Fragens und der Besinnung auf die Gesellschaft ausgelöst. Die Epidemie hat (nach den vorsichtigsten Schätzungen) nahezu 80 000 Menschen direkt infiziert. Doch 1,4 Milliarden hat sie einen Schock vermittelt, der ihren Alltag unter dem Kapitalismus grell beleuchtete und sie in einem Augenblick der Verunsicherung zur Selbstbesinnung zwang. Zeitgleich stellten sich Alle eine Reihe tiefgreifender Fragen: Was wird mit mir? Mit meinen Kindern, meiner Familie, meinen Freunden? Wird es für uns genug zu essen geben? Wird mein Einkommen gezahlt? Wird mein Geschäft sich rentieren? Wer trägt hier für alles die Verantwortung? Auf ungewohnte Weise entspricht die Einzelerfahrung der eines Massenstreiks – aber eines solchen, der in seiner nicht-spontanen, von oben verordneten und insbesondere unfreiwilligen Total-Atomisierung die Grundrätsel unserer strangulierten politischen Gegenwart ebenso klar hervortreten lässt, wie die Massenstreiks des letzten Jahrhunderts die Widersprüche ihrer Ära erhellten. Die »Quarantäne« erscheint somit wie ein Streik, der seiner gemeinschaftsbezogenen Charakteristika beraubt aber gleichwohl geeignet ist, sowohl der Psyche als auch der Volkswirtschaft einen tiefgreifenden Schock zu versetzen. Schon dieser Umstand allein macht sie bedenkenswert.

Selbstverständlich handelt es sich bei Spekulationen über den bevorstehenden Sturz der KPCh, ein beliebter Zeitvertreib des ‘New Yorker’ und des ‘Economist’, um vorhersehbaren Unsinn. Inzwischen rollen die normalen Medienunterdrückungsrituale ab, in denen offenkundig rassistische Leitartikel in den Massenmedien gekontert werden von Kommentaren auf Web-Plattformen, die gegen Orientalismus und andere Ideologie-Facetten polemisieren. Doch fast die gesamte Diskussion bleibt auf dem Niveau der Abbildung ― oder bestenfalls dem der Eindämmungspolitik und der wirtschaftlichen Folgen der Epidemie ― ohne Auseinandersetzung mit den Fragen, wie solche Krankheiten produziert, noch weniger, wie sie verbreitet werden. Nicht einmal dies wäre jedoch genug. Überflüssig ist der »eins-zwei-drei«-Marxismus, der dem Schurken die Maske abreißt, um festzustellen: ja, es war wirklich der Kapitalismus, der das Coronavirus hervorgebracht hat. Das wäre auch nicht scharfsinniger als die Auslandskommentatoren, die hinter dem Regime-Wechsel herschnüffeln. Selbstverständlich ist der Kapitalismus schuld, aber wie, und zwar: genau wie findet die Verzahnung der sozial-ökonomischen Sphäre mit der biologischen statt, und welche Lehren sind im Einzelnen aus der Gesamterfahrung zu ziehen?

In diesem Sinn verstanden, bietet das Ausbrechen der Epidemie zwei günstige Anlässe für das Nachdenken: Zunächst öffnet sich ein lehrreicher Durchblick, in dem wir substanzielle Fragen hinsichtlich der kapitalistischen Produktion in ihrem Verhältnis zur nicht-menschlichen Welt auf einem grundlegenden Niveau neu bewerten können, weil nämlich, kurz gesagt, die »natürliche Welt« unter Einschluss ihrer mikrobiologischen Unterschichten ohne Bezug zur gesellschaftlichen Organisierung der Produktion unverständlich bleibt (da die beiden nämlich nicht getrennt von einander existieren). Zugleich werden wir daran erinnert, dass der einzige Kommunismus, der den Namen wert ist, das Potenzial für einen voll politisierten Naturalismus enthält. Zum Zweiten können wir diesen Augenblick der Isolation für unsere eigenen Überlegungen zum gegenwärtigen Zustand der chinesischen Gesellschaft nutzen. Manche Dinge werden erst deutlich, wenn Alles auf einen unvorhergesehenen Halt heruntergebremst wird. Eine Verlangsamung hilft zwangsläufig dazu, vorher verborgene Spannungen sichtbar zu machen. Weiter unten werden wir diesen beiden Fragen nachgehen und nicht nur zeigen, wie die kapitalistische Akkumulation solche Plagen hervorruft, sondern auch wie der Augenblick der Pandemie selbst ein widersprüchlicher Zustand politischer Krise bildet, die den Menschen die vorher ungesehenen Potenziale und Abhängigkeiten in der sie umgebenden Welt erkennbar machr, während sie zugleich einen weiteren Vorwand für die Ausdehnung der Kontrollsysteme in die Alltagsabläufe bietet.

Seuchenproduktion

Wie ihre Vorläufer Vogelgrippe und Schweinegrippe ist das Virus, welches die gegenwärtige Epidemie bestimmt (SARS-CoV-2), an einem Verknüpfungspunkt zwischen Ökonomie und Epidemiologie entstanden. Nicht zufällig führen so viele dieser Viren Tiernamen in ihren Bezeichnungen: Die Ausbreitung neuer Krankheiten auf die Humanbevölkerung ist fast durchweg das Ergebnis sogenannter ‚zoonotischer Übertragung‘, eine fachsprachliche Ausdrucksweise für das Springen solcher Infektionen von Tieren auf Menschen. Das Über-Springen von einer Spezies auf die nächste ereignet sich unter bestimmten Bedingungen von Nähe und regelmäßigem Kontakt. Zusammengefasst bilden diese Faktoren die Umgebung, in der sich die Krankheit entwickeln muss. Ändert sich diese Schnittstelle zwischen humaner und animalischer Welt, so ändern sich auch die Bedingungen, unter denen die Krankheit sich fortentwickelt. Unter den vier Hochöfen (am Yang-Tse) erhitzt sich ein tiefer gelegener Ofen, der die industriellen Zentren der Welt unterfüttert: der evolutionäre Dampfkochtopf der kapitalistischen Agrikultur und Urbanisierung. Er stellt das ideale Medium dar, in dem immer verheerendere Seuchen erzeugt, verändert und zu zoonotischen Sprüngen veranlasst werden, die dann auf aggressive Weise auf die Menschen übertragen werden. Hinzu kommen ähnlich tiefgreifende Abläufe in den Randzonen der Ökonomie, wo »Wildgebiete« dem Druck von Menschen ausgesetzt sind, die gezwungenermaßen immer umfangreichere agroökonomische Eingriffe in lokale Ökosysteme vornehmen. Mit seiner »wilden« Ursprungslegende und seiner blitzschnellen Verbreitung inmitten eines hochindustrialisierten, verstädterten Kernbereichs der Weltwirtschaft demonstriert das jüngste Coronavirus beide Dimensionen unserer neuen Ära politisch-ökonomischer Seuchen.

Der dargelegte Grundgedanke wurde am gründlichsten von linksgerichteten Biologen wie Robert G. Wallace entwickelt, dessen 2016 erschienenes Buch Big Farms Make Big Flu (»Große Farmen bringen große Grippe«) das Thema der Verbindung zwischen kapitalistischer Landwirtschaft und der Ursachenkette vorausgehender Epidemien von SARS bis Ebola erschöpfend behandelt.3 Diese Epidemien lassen sich vorläufig in zwei Gruppen unterteilen. Die erste umfasst solche, die sich in Kernbereichen der agroökonomischen Wertschöpfung entwickeln, die zweite in deren »Hinterland«. Im Nachweis der Ausbreitung von H5N5, bekannt als »Vogelgrippe«, fasst er bestimmte geografische Schlüsselfaktoren von Epidemien zusammen, die in produktiven Kernzonen entstehen:

Ländliche Flächen in vielen der ärmsten Länder tragen inzwischen die Kennzeichen von ungeregelter Agroökonomie, unmittelbar neben weiträumigen städtischen Slums. Die unüberwachte Übertragung in anfälligen Gegenden erhöht die genetische Variationsbereitschaft, unter der H5N5 humanspezifische Eigenschaften entwickeln kann. Bei seiner Verbreitung über drei Kontinente tritt H5N5 in Berührung mit einer wachsenden Anzahl sozioökonomischer Umfelder einschließlich ortstypischer Verbindungen von vorherrschenden Wirtsformen, Varianten der Massengeflügelhaltung und Maßnahmen der Veterinärmedizin.4

Solche Verbreitung folgt selbstverständlich den weltweiten Warenkreisläufen und den üblichen Wanderungsbewegungen der Arbeitskraft, welche die Geographie der kapitalistischen Ökonomie bestimmen. Als Ergebnis erscheint »ein Typus von eskalierender breiteninfektiöser Selektion« über welche das Virus sich auf einer größeren Anzahl evolutionärer Pfade in kürzerer Zeit positioniert, was die erfolgreichsten Varianten befähigt, die anderen im Wettbewerb zu verdrängen.

Dies jedoch lässt sich leicht beweisen und ist bereits Alltagsweisheit in der Berichterstattung: der Umstand, dass die »Globalisierung« die Ausbreitung solcher Krankheiten beschleunigt, wenn auch hier mit dem bedeutenden Zusatz, dass diese Verbreitung selbst das Virus zu lebhafterer Mutation anregt. Die entscheidende Frage stellt sich allerdings schon früher: Vor der Ausbreitung, welche die Vitalität solcher Krankheit(skeime) erhöht, intensiviert die kapitalistische Grundlogik die Tendenz, vorher abgeschottete oder harmlose Virenstämme in extrem selektionsfördernde Umfelder zu versetzen. Hier finden diese Stämme Bedingungen, die für epidemische Formen günstig sind: schnelle virale Lebenszyklen, die Spannkraft für zoonotische Sprünge zwischen Träger-Arten und die Fähigkeit, neue Übertragungshilfen zu generieren. Diese Virenstämme treten gerade wegen ihrer Virulenz hervor. Rein rechnerisch scheint es, als müsste die Entwicklung virulenterer Stämme die entgegengesetzte Wirkung haben, weil der schnelle Tod des Wirtes dem Virus weniger Zeit für die Verbreitung lässt. Die Alltagserkältung bietet ein gutes Beispiel für dieses Prinzip. Ihre niedrige Intensität erleichtert die Verbreitung in der Bevölkerung. Doch in bestimmten Umfeldern gewinnt die entgegengesetzte Logik an Wahrscheinlichkeit: Findet ein Virus zahlreiche Wirte in der nahen Umgebung vor, und besonders, falls solche Wirte bereits unter verkürzter Lebenserwartung stehen, so verwandelt sich die höhere Virulenz in einen Evolutionsvorteil.

Die Vogelgrippe liefert wiederum ein gutes Beispiel. Wallace erläutert Untersuchungsergebnisse: »…keine endemischen hoch pathogenen Stämme [von Grippe] bei Wildvogel-Populationen, dem absoluten Ursprungsreservoir nahezu sämtlicher Grippe-Unterarten.«5 Domestizierte Populationen hingegen, dicht gedrängt bei industrieller Haltung, scheinen in deutlicher Verbindung mit Ausbrüchen vorzukommen – und dies aus naheliegenden Gründen:

Aufzucht genetischer Monokulturen von Haustieren beseitigt jede Art von immunologischer »Brandmauer«, die Krankheitsübertragung verlangsamen könnte. Größere Populationen und höhere Belegungsdichte fördern wachsende Übertragungsquoten. Die Lebensbedingungen bei erhöhter Belegung vermindern Immunreaktionen. Hoher Durchsatz, wie er zu jeder industriellen Produktion gehört, stellt unablässig neue Infektionskandidaten bereit, Brennstoff für die Evolution der Virulenz.6

Selbstredend entsteht jedes dieser Merkmale aus der Logik des industriellen Wettbewerbs. Insbesondere hat der hohe Durchsatz in diesen Kontexten erhebliche biologische Dimensionen: »Sobald Tiere aus industrieller Haltung das richtige Gewicht erreichen, werden sie getötet. Vorhandene Grippeinfektionen müssen bei jedem Einzeltier den Schwellenwert für die Übertragung schnell erreichen […] Je schneller die Viren entstehen, desto größer der Schaden für das Tier.«7 Ironischerweise können Versuche, derartige Ausbrüche durch Massenschlachtung zu unterdrücken, eine unbeabsichtigte Folge haben. Sie verschärfen den Selektionsdruck weiter und verursachen die Evolution hypervirulenter Stämme. So war es jedenfalls bei der kürzlich aufgetretenen Schweinepest, die zum Verlust von ungefähr einem Viertel des Weltangebots an Schweinefleisch führte. Obwohl sich in der Geschichte solche (epidemischen) Ausbrüche bei domestizierten Tierarten oft nach Kriegszeiten oder Umweltkatastrophen ereignet haben, die vermehrte Forderungen an den Viehbestand zur Folge hatten, so gehen doch anschwellende Intensität und Virulenz derartiger Krankheiten unbestreitbar mit der Ausbreitung der kapitalistischen Produktionsweise einher.

Geschichte und Entstehen von Krankheiten

Seuchen stellen in hohem Maße den Schlagschatten der kapitalistischen Industrialisierung dar und sind gleichzeitig deren Vorboten. Die offensichtlichen Fälle von Pocken und anderen Pandemien, die nach Nordamerika eingeschleppt wurden, sind ein zu einfaches Beispiel, da ihre Intensität durch die langfristige Separierung von Bevölkerungen durch die Geographie verstärkt wurde – und diese Krankheiten hatten ihre Virulenz ohnehin schon durch vorkapitalistische Handelsnetze und die frühe Urbanisierung in Asien und Europa erlangt. Wenn wir stattdessen nach England schauen, wo der Kapitalismus zuerst auf dem Land durch das massenhafte Abräumen der Bauern entstand, die durch monokulturelle Massentierhaltung ersetzt wurden, sehen wir die frühesten Beispiele für diese ausgesprochen kapitalistischen Seuchen. Im England des 18. Jahrhunderts traten drei verschiedene Pandemien auf, die von 1709-1720, 1742-1760 und 1768-1786 wüteten. Der Ursprung jeder dieser Pandemien war importiertes Vieh aus Europa, das von den normalen vorkapitalistischen Pandemien, die auf Kriege folgten, infiziert war. Aber in England wurde das Vieh bereits in neuen Haltungsarten konzentriert; die Einführung des infizierten Viehs konnte daher auf die Bevölkerung viel aggressiver durchschlagen als in Europa. Es ist also kein Zufall, dass sich die Ausbrüche auf die großen Londoner Molkereien konzentrierten, die ein ideales Umfeld für die Verstärkung des Virus boten.

Letztendlich wurden die Ausbrüche jeweils durch selektive, kleinere, frühzeitige Schlachtungen in Verbindung mit der Anwendung moderner medizinischer und wissenschaftlicher Praktiken eingedämmt – im Wesentlichen ähnlich wie bei der Bekämpfung solcher Epidemien heute. Hier zeigt sich zum ersten Mal das, was sich zu einem klaren Muster entwickelte und eine Wirtschaftskrise imitiert: immer intensivere Zusammenbrüche, die das gesamte System an den Abgrund zu bringen scheinen, die aber letztlich durch eine Kombination aus Massen-Opferung, die den Markt / die Bevölkerung räumt, und einer Intensivierung des technologischen Fortschritts überwunden werden. In diesem Fall moderne medizinische Techniken und neue Impfstoffe, die oft in zu geringen Mengen und zu spät eintreffen, aber nichtsdestotrotz dabei helfen, in der Nachfolge der Verwüstungen die Dinge wieder zu bereinigen.

Aber dieses Beispiel aus der Heimat des Kapitalismus sagt nichts ohne eine Erklärung der Auswirkungen kapitalistischer landwirtschaftlicher Praktiken an der Peripherie. Während die Rinderpandemien im frühkapitalistischen England eingedämmt wurden, waren ihre Folgen in anderen Ländern weitaus verheerender. Die größten Auswirkungen hatte wohl der Ausbruch der Rinderpest in Afrika in den 1890er Jahren. Der Zeitpunkt des Ausbruchs ist kein Zufall: Die Rinderpest hatte Europa mit einer Intensität geplagt, die dem Wachstum der großflächigen Landwirtschaft direkt entsprach; die Seuche wurde nur durch den wissenschaftlichen Fortschritt in Schach gehalten. Doch das Ende des 19. Jahrhunderts sah den Höhepunkt des europäischen Imperialismus, versinnbildlicht durch die Kolonisierung Afrikas. Die Rinderpest kam mit den Italienern nach Ostafrika, die durch die Kolonisierung des Horns von Afrika zu anderen imperialen Mächten aufzuschließen versuchten. Die militärischen Kampagnen zur Kolonisierung endeten meist mit einem Misserfolg. Aber die Seuche verbreitete sich über die einheimischen Rinderherden und fand schließlich ihren Weg nach Südafrika. Dort verwüstete die Seuche die frühe kapitalistische Agrarwirtschaft der britischen Kolonie und tötete sogar die Herde des berüchtigten weißen Rassisten Cecil Rhodes.

Der bedeutende historische Effekt war unbestreitbar: Die Pest, bei der bis zu 80-90 Prozent des Viehs getötet wurden, führte zu einer beispiellosen Hungersnot in den überwiegend von Viehzucht geprägten Gesellschaften in Subsahara-Afrika. Auf diese Entvölkerung folgte dann die invasive Besiedlung der Strauchlandschaften durch Dornenbüsche. Diese wiederum boten der Tsetsefliege passenden Lebensraum, die sowohl die Schlafkrankheit mit sich bringt als auch das Weiden des Viehs verhindert. Dadurch wurde die Wiederansiedlung in der Region nach der Hungersnot eingeschränkt – freie Bahn für die europäischen Kolonialmächte auf dem Kontinent.

Neben ihren Folgen wie periodischen Agrarkrisen und apokalyptischen Bedingungen, die dem Kapitalismus über seine frühen Grenzen hinaus zu expandieren halfen, haben solche Seuchen auch das Proletariat im industriellen Kern selbst getroffen. Zuerst sei noch einmal darauf hingewiesen, dass der Ausbruch des Coronavirus nichts einzigartig Chinesisches an sich hat. Warum so viele Epidemien in China zu entstehen scheinen, hat keine kulturellen Ursachen, sondern ist eine Frage der Wirtschaftsgeographie. Das wird überdeutlich, wenn wir China mit den USA oder Europa vergleichen, als diese Zentren der globalen Produktion und der massenhaften Industriearbeiterschaft waren.8 Das Ergebnis ist grundsätzlich identisch, mit allen Merkmalen: Dem Aussterben des Viehbestands auf dem Land entsprach in der Stadt schlechte Hygiene und weit verbreitete Verschmutzung. Die frühen liberal-progressiven Reformbemühungen in Arbeitergegenden nahmen diese Zustände in den Fokus – wie es auch die Rezeption von Upton Sinclairs Roman »Der Dschungel« zeigt: Ursprünglich geschrieben, um das Leiden der eingewanderten Arbeiter in der Fleischindustrie zu dokumentieren, wurde der Roman von reicheren Liberalen aufgegriffen, die sich über die Vorstöße gegen sanitäre Vorschriften und die allgemein unhygienischen Bedingungen Sorgen machten, unter denen ihre eigenen Lebensmittel hergestellt wurden.

Diese liberale Empörung über die »Unreinlichkeit« mit all ihrem impliziten Rassismus dürfte immer noch die fast schon automatische Reaktion der meisten Menschen beschreiben, wenn sie mit den politischen Dimensionen von Coronavirus oder SARS konfrontiert werden. Aber die Arbeiter haben wenig Kontrolle über die Bedingungen, unter denen sie arbeiten. Mehr noch: Zwar dringen unhygienische Bedingungen durch die Kontamination von Nahrungsmitteln auch aus der Fabrik heraus, aber dies ist wirklich nur die Spitze des Eisbergs. Solche Bedingungen sind die Norm für diejenigen, die in solchen Umgebungen arbeiten oder in nahe gelegenen Arbeitersiedlungen leben. Diese Bedingungen verschlechtern den Gesundheitszustand der Bevölkerung, wodurch noch bessere Bedingungen für die Verbreitung der vielen Seuchen des Kapitalismus geschaffen werden.

Ein berühmtes Beispiel: die Spanische Grippe, eine der tödlichsten Pandemien der Geschichte. Es war einer der frühesten Ausbrüche der H1N1-Grippe (ähnlich wie neuere Ausbrüche der Schweine- und Vogelgrippe). Lange ging man davon aus, dass die Spanische Grippe sich aufgrund der hohen Zahl der Todesopfer qualitativ von anderen Grippevarianten irgendwie unterscheidet. Dies scheint zwar zum Teil zu stimmen (aufgrund der Fähigkeit der Spanischen Grippe, eine Überreaktion des Immunsystems hervorzurufen). Aber aufgrund späterer Recherchen zu Analysen und epidemiologischen Untersuchungen ergab sich, dass die Spanische Grippe möglicherweise nicht viel virulenter war als andere Grippe-Viren. Stattdessen sorgten wohl in erster Linie die weit verbreitete Unterernährung, die Überbevölkerung der Städte und die allgemein unhygienischen Lebensbedingungen in den betroffenen Gebieten für die hohe Todesrate. Diese Bedingungen begünstigten zudem nicht nur die Ausbreitung der Spanischen Grippe selbst, sondern auch bakterielle Superinfektionen über die zugrundeliegende virale Infektion hinaus.9

Anders gesagt: Die Zahl der Todesopfer durch die Spanische Grippe wurde zwar als eine unvorhersehbare Abweichung im Charakter des Virus gesehen, sie erhielt aber durch die sozialen Bedingungen einen besonderen Auftrieb. Ermöglicht wurde die rasche Ausbreitung der Grippe durch den globalen Handel und die globale Kriegsführung der sich damals schnell verändernden Imperialismen, die den ersten Weltkrieg überlebt hatten. Und erneut ist es die bereits bekannte Geschichte, wie ein solch tödlicher Grippestamm überhaupt entstehen konnte: Obwohl der genaue Ursprung noch immer etwas unklar ist, nimmt man heute an, dass der Virus wahrscheinlich von domestizierten Schweinen oder Geflügel aus Kansas stammt. Zeit und Ort sind in diesem Fall bemerkenswert, da die Jahre nach dem Krieg ein Wendepunkt für die amerikanische Landwirtschaft waren. Mechanisierte, fabrikähnliche Produktionsmethoden verbreiteten sich zunehmend. Diese Trends verstärkten sich in den 1920er Jahren nochmals; die massenhafte Anwendung von Techniken wie dem Mähdrescher führte sowohl zu einer allmählichen Monopolisierung als auch zu einer ökologischen Katastrophe, die die Dust-Bowl-Krise10 und die darauf folgende Massenmigration auslöste. Die Konzentration des Viehbestands, die die späteren Fabrikbetriebe ausmachte, war noch nicht umgesetzt, aber die einfacheren Formen der Konzentration und intensiver Bewirtschaftung, die bereits zu Tierseuchen in ganz Europa geführt hatten, waren nun die Norm. Wenn die englischen Rinderepidemien des 18. Jahrhunderts der erste Fall einer eindeutig kapitalistischen Viehseuche waren und die Rinderpest im Afrika der 1890er Jahre der größte epidemiologische Genozid des Imperialismus, dann kann die Spanische Grippe als die erste kapitalistische Seuche für das Proletariat verstanden werden.

Vergoldetes Zeitalter

Die Parallelen zum aktuellen chinesischen Fall sind auffallend. Um COVID-19 zu verstehen, müssen wir uns ansehen, wie Chinas Entwicklung der letzten Jahrzehnte in und durch das globale kapitalistische System das Gesundheitssystem des Landes und den Zustand der öffentlichen Gesundheit im Allgemeinen geprägt hat. Die Epidemie mag neu sein, ähnelt aber anderen Gesundheitskrisen vor ihr. Sie werden mit fast derselben Regelmäßigkeit wie Wirtschaftskrisen produziert und in der Publikumspresse ganz ähnlich behandelt: als wären sie zufällige »Schwarzer-Schwan«-Ereignisse11, völlig unvorhersehbar und beispiellos. In Wirklichkeit aber folgen diese Gesundheitskrisen ihren eigenen chaotischen, zyklisch und mit steigender Wahrscheinlichkeit wiederkehrenden Mustern, denn dahinter stehen strukturelle, dem Wesen der Produktion und dem proletarischen Leben im Kapitalismus innewohnende Widersprüche. Ähnlich wie die Spanische Grippe konnte sich das Coronavirus ursprünglich durch eine allgemeine Verschlechterung der medizinischen Grundversorgung in der breiten Bevölkerung rasch durchsetzen und ausbreiten. Aber gerade, weil diese Verschlechterung inmitten eines spektakulären Wirtschaftswachstums stattfand, wurde sie verdeckt vom Prunk der glitzernden Städte und gewaltigen Fabriken. In Wirklichkeit sind die Ausgaben für öffentliche Güter wie Gesundheitsversorgung und Bildung in China nach wie vor extrem niedrig, während der Großteil der öffentlichen Ausgaben in die konventionelle Infrastruktur (Brücken, Straßen und billige Elektrizität für die Produktion) geflossen ist.

Gleichzeitig ist die Qualität der Produkte auf den einheimischen Märkten oft gefährlich schlecht. Seit Jahrzehnten produziert die chinesische Industrie hochwertige Exporte, die nach den höchsten globalen Standards für den Weltmarkt hergestellt werden. Dazu gehören beispielsweise fertige Geräte wie iPhones, aber auch Zulieferteile wie Computerchips. Die Waren jedoch, die für den Verbrauch auf dem heimischen Markt vorgesehen sind, sind von miserabler Qualität und rufen regelmäßig Skandale sowie tiefes öffentliches Misstrauen hervor. Die vielen Fälle sind ein deutliches Echo auf Sinclairs »Der Dschungel« und andere Geschichten aus dem Amerika des Vergoldeten Zeitalters12. Der größte Fall aus jüngster Zeit, der Melamin-Milch-Skandal von 2008, hinterließ ein Dutzend tote und Zehntausende kranker, in Krankenhäuser eingewiesene Kinder (obwohl möglicherweise Hunderttausende davon betroffen waren). Seitdem erschütterten eine Reihe von Skandalen die Öffentlichkeit: 2011, als in Restaurants im ganzen Land Abfall-Öl aus Fettabscheidern gefunden wurde, oder 2018, als fehlerhafte Impfstoffe mehrere Kinder töteten, und dann ein Jahr später, als Dutzende ins Krankenhaus eingeliefert wurden, weil gefälschte Impfstoffe gegen humane Papillomviren verabreicht worden waren. Weniger krasse Geschichten passieren noch viel häufiger und bilden eine vertraute Kulisse für jeden, der in China lebt: aus Kostengründen mit Seife verschnittene Tütensuppen; Unternehmer, die an mysteriösen Ursachen verendete Schweine in Nachbardörfer verkaufen; detaillierte Klatschgeschichten darüber, in welchen Imbissen man am ehesten krank wird.

Bevor das Land Stück für Stück ins kapitalistische Weltsystem integriert wurde, wurden Dienste wie die Gesundheitsversorgung in China über das danwei-System betrieblicher Sozialleistungen (vor allem in den Städten) oder von lokalen Gesundheitszentren mit ihren zahlreichen »Barfußmedizinern« (vor allem, aber nicht nur auf dem Land) kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Erfolge der sozialistischen Gesundheitsfürsorge wie auch die Erfolge im Bereich der Bildung und Alphabetisierung waren so groß, dass selbst die schärfsten Kritiker des Landes sie anerkennen mussten. Die Wurmerkrankung Schistosomiasis, die das Land jahrhundertelang geplagt hat, war in Kernchina praktisch vollständig ausgemerzt, und kam mit Nachdruck zurück, als das sozialistische Gesundheitssystem abgebaut wurde. Die Kindersterblichkeit ging stark zurück, und trotz der mit dem »Großen Sprung nach vorn« verbundenen Hungersnot stieg die Lebenserwartung zwischen 1950 und den frühen 1980er Jahren von 45 auf 68 Jahre. Impfungen und allgemeine Hygienemaßnahmen setzten sich durch, grundlegende Informationen über Ernährung und Gesundheit sowie der Zugang zu elementaren Medikamenten waren kostenlos und für alle zugänglich. Gleichzeitig vermittelten die Barfuß-Mediziner einem großen Teil der Bevölkerung grundlegendes, wenn auch begrenztes medizinisches Wissen; sie trugen so zum Aufbau eines robusten, von unten nach oben aufgebauten Gesundheitssystems unter Bedingungen materieller Armut bei. Wir sollten nicht vergessen, dass China damals pro Kopf ärmer war als das durchschnittliche Land im subsaharischen Afrika heute.

Seitdem haben Nachlässigkeit und Privatisierung dieses System erheblich verschlechtert, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als die rasche Verstädterung und die unregulierte industrielle Produktion von Haushaltsgegenständen und Lebensmitteln eine umfassende Gesundheitsfürsorge erst recht notwendig gemacht hätten – ganz zu schweigen von Lebensmittel-, Drogen- und Sicherheitsvorschriften. Heute gibt China nach Angaben der WHO 323 USD pro Kopf für öffentliche Gesundheitsversorgung aus. Diese Zahl ist selbst im Vergleich zu anderen Ländern mit »oberem mittlerem Einkommen« niedrig: ungefähr die Hälfte von dem, was Brasilien, Belarus und Bulgarien ausgeben. Kontrollen gibt es praktisch keine, was zu den vielen Skandalen wie den oben erwähnten führt. Die Folgen bekommen dabei vor allem die Hunderte von Millionen von WanderarbeiterInnen zu spüren, die jedes Recht auf eine medizinische Grundversorgung verwirken, wenn sie ihr Heimatdorf verlassen – dort sind sie im Rahmen des Hukou-Systems13 unabhängig von ihrem tatsächlichen Aufenthaltsort gemeldet, öffentliche Ressourcen sind anderswo nicht zugänglich.

Angeblich wurde die öffentliche Gesundheitsversorgung Ende der 1990er Jahre durch ein stärker privatisiertes (aber vom Staat verwaltetes) System ersetzt, in dem Gesundheitsversorgung, Renten und Wohnraumversicherung durch Beiträge sowohl von Arbeitgebern wie von Arbeitnehmern bezahlt werden. Dieses Sozialversicherungssystem leidet aber an systematischem Geldmangel, so sehr dass die Arbeitgeber ihre »Pflichtbeiträge« oft einfach ignorieren und die allermeisten ArbeiterInnen den Arzt aus eigener Tasche zahlen müssen. Laut der jüngsten verfügbaren nationalen Schätzung haben nur 22 Prozent der WanderarbeiterInnen eine grundlegende Krankenversicherung. Dass die Beiträge zur Sozialversicherung nicht gezahlt werden, liegt aber nicht einfach daran, dass individuelle korrupte Chefs sich um ihre Verpflichtungen drücken, sondern vor allem daran, dass die Profitmargen dünn sind und keinen Raum für Sozialleistungen lassen. Laut unseren Berechnungen14 würde die Nachzahlung von unbezahlten Sozialversicherungsbeiträgen in einem Industriezentrum wie Dongguan die Profite in der Industrie um die Hälfte reduzieren und viele Firmen in den Konkurs treiben. Um die riesigen Lücken auszugleichen, hat China eine aufs Allernötigste reduzierte Krankenversicherung für Rentner und Selbständige eingeführt, die durchschnittlich nur Krankheitskosten von ein paar hundert Yuan pro Kopf und Jahr abdeckt.

Dieses belagerte Gesundheitssystem produziert selbst wiederum erschreckende soziale Spannungen. Jedes Jahr werden mehrere Krankenhausbeschäftigte getötet und Dutzende verletzt, wenn sie von wütenden Patienten oder öfter noch von Angehörigen von Patienten, die in ihrer Obhut gestorben sind, angegriffen werden. Der jüngste Angriff fand am Weihnachtsabend statt: In Peking wurde ein Arzt vom Sohn einer Patientin erstochen, der glaubte, seine Mutter sei an der schlechten Pflege in dem Krankenhaus gestorben. Laut einer Umfrage hatten 85 Prozent der ÄrztInnen schon Gewalt am Arbeitsplatz erlebt. Laut einer anderen Umfrage von 2015 waren 13 Prozent der chinesischen ÄrztInnen im Laufe des letzten Jahres körperlich angegriffen worden. Chinesische ÄrztInnen behandeln viermal so viele Patienten pro Jahr wie US-ÄrztInnen, verdienen aber mit 15.000 USD im Jahr weniger als das Durchschnittseinkommen (16.760 USD). Dagegen verdient eine durchschnittliche ÄrztIn in den USA mit 300.000 USD im Jahr fast fünfmal so viel wie das Durchschnittseinkommen (60.200 USD). Bevor das Blog-Projekt von Lu Yuyu und Li Tingyu zur Dokumentation von Unruhen geschlossen und seine Betreiber festgenommen wurden, verzeichnete es jeden Monat mindestens ein paar Streiks und Proteste von Krankenhausbeschäftigten15. 2015, im letzten vollen Jahr ihrer akribischen Datensammlung, gab es 43 derartige Vorfälle. Außerdem gab es jeden Monat Dutzende von »Protesten gegen medizinische Behandlungen« durch Angehörige von Patienten. 2015 wurden 368 solcher Vorfälle dokumentiert.

Angesichts eines derartig massiven Rückzugs des Staats aus dem Gesundheitssystem ist es kein Wunder, dass COVID-19 sich so schnell ausbreiten konnte. Zusammen mit der Tatsache, dass alle ein, zwei Jahre in China eine neue ansteckende Krankheit ausbricht, sorgt er dafür, dass die Epidemien weitergehen. Wie bei der Spanischen Grippe hat der allgemeine schlechte Zustand des öffentlichen Gesundheitswesens für die proletarische Bevölkerung dazu beigetragen, dass das Virus Fuß fassen und sich schnell ausbreiten konnte. Das ist aber wie gesagt nicht nur eine Frage der Verteilung. Wir müssen auch verstehen, wie das Virus selbst produziert wurde.

Es gibt keine Wildnis

Im Fall des jüngsten Ausbruchs verläuft die Geschichte weniger geradlinig als bei der Schweine- oder Vogelgrippe, die so klar mit dem Kern des agrarindustriellen Systems in Zusammenhang gebracht werden. Einerseits ist noch nicht völlig klar, wo das Virus herkommt. Es ist möglich, dass er von Schweinen stammt, die eine von vielen domestizierten und wilden Tierarten sind, die auf dem Wuhaner wet market gehandelt werden, der das Epizentrum des Ausbruchs zu sein scheint. In diesem Fall wäre der Kausalzusammenhang den obigen Fällen ähnlicher, als es sonst erscheinen mag. Wahrscheinlicher ist jedoch wohl, dass das Virus in Fledermäusen entstand oder möglicherweise in Schlangen, die beide gewöhnlich als Wildtiere gefangen werden. Selbst hier besteht jedoch ein Zusammenhang, da die abnehmende Verfügbarkeit und Sicherheit von Schweinefleisch durch den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest bedeutet, dass die steigende Nachfrage nach Fleisch oft durch diese wet markets gedeckt wird, die Fleisch vom »Wild« verkaufen. Aber kann denn ohne direkten Zusammenhang zur Agrarfabrik demselben ökonomischen Prozess eine Mitverantwortung für den aktuellen Ausbruch zugesprochen werden?

Die Antwort lautet ja, aber auf andere Weise. Wiederum verweist Wallace nicht auf eine, sondern auf zwei Hauptrouten, über die der Kapitalismus dazu beiträgt, immer tödlichere Epidemien auszubrüten und zu entfesseln: die erste und oben ausgeführte ist der direkte industrielle Fall, wo sich Viren in einem industriellen Ambiente entwickeln, das der kapitalistischen Logik vollständig unterworfen ist. Aber der zweite Fall ist der indirekte, über die kapitalistische Expansion und Extraktion im Hinterland, wo bis dahin unbekannte Viren im wesentlichen aus Wildbeständen geerntet und entlang weltweiter Kapitalkreisläufe verteilt werden. Die beiden Routen verlaufen natürlich nicht völlig voneinander getrennt, doch scheint es, als beschreibe der zweite Fall das Entstehen der aktuellen Epidemie am besten. Hierbei schafft die erhöhte Nachfrage nach den Körpern wilder Tiere für Konsum, medizinischen Gebrauch oder (wie im Fall der Kamele und MERS16) eine Vielfalt von Zwecken mit kultureller Bedeutung neue weltweite Lieferketten von »Wild«-Waren.17 In anderen Fällen weiten sich bereits bestehende agrarökologische Wertschöpfungsketten einfach in bis dahin »wilde« Bereiche aus. Dabei verändern sich die örtliche Ökologie und die Schnittstelle zwischen dem Menschlichen und dem Nichtmenschlichen.

Wallace selbst ist da ganz deutlich, indem er verschiedene Dynamiken erklärt, die schlimmere Seuchen schaffen, obwohl die Viren schon längst in »natürlicher« Umgebung existieren. Die Ausweitung der Industrieproduktion selbst »kann zunehmend kapitalisierte Wildtiere in die letzten Reste der ursprünglichen Landschaft treiben, wobei eine größere Bandbreite an Krankheitserregern mit Seuchenpotential erschlossen wird.« Anders gesagt werden Tiere, während die Kapitalakkumulation neue Gebiete erfasst, in schwerer zugängliche Gegenden gedrängt, wo sie mit vorher isolierten Seuchenerregern in Kontakt kommen. Wobei die Tiere selbst zu Waren werden, da »sogar die wildesten Gattungen in die landwirtschaftlichen Verwertungsketten hineingezogen werden.« Gleichermaßen drängt diese Expansion Menschen näher zu diesen Tieren und Umgebungen hin, was »die Schnittstelle (und Übertragung) zwischen wilden nichtmenschlichen Populationen und erst kürzlich urbanisiertem Landleben verbreitern kann.« Dies gibt dem Virus mehr Gelegenheiten und Möglichkeiten, auf eine Weise zu mutieren, die ihm erlaubt, Menschen zu infizieren, was eine Übertragung zwischen den Arten viel wahrscheinlicher macht. Und sowieso ist die Geographie der Industrie selbst nie so ganz sauber in städtisch und ländlich getrennt, wie etwa die monopolisierte industrielle Landwirtschaft sich sowohl riesiger Farmen als auch bäuerlicher Kleinbetriebe bedient: »Ein Nutztier kann sich auf einem am Waldrand gelegenen Kleinbetrieb, der als Sub für einen Großbetrieb arbeitet, einen pathogenen Keim einfangen, bevor es in eine fleischverarbeitende Fabrik am Rand einer Großstadt geliefert wird.« Tatsache ist, dass die Sphäre der »Natur« bereits von einem die ganze Welt umfassenden kapitalistischen System erfasst ist, dem es gelang, grundlegende klimatische Bedingungen zu verändern und dermaßen viele vorkapitalistische18 Ökosysteme zugrunde zu richten, dass die verbliebenen nicht länger so funktionieren, wie sie es in der Vergangenheit vielleicht getan haben. Hier liegt ein weiterer Kausalfaktor, denn laut Wallace verringern all diese Prozesse ökologischer Verheerung »die Art von Vielfalt in der Umwelt, mit der der Wald Übertragungsketten unterbricht.« In Wirklichkeit ist es also unzutreffend, sich solche Gebiete als die natürliche »Peripherie« eines kapitalistischen Systems vorzustellen. Der Kapitalismus ist bereits global und allumfassend. Er hat keinen Rand mehr oder eine Grenze mit einer natürlichen, nichtkapitalistischen Sphäre jenseits seiner selbst. Und daher gibt es auch keine große Kette der Entwicklung, in der »rückständige« Länder ihren Vorreitern beim Aufstieg in der Wertkette folgen, und keine wirkliche Wildnis, die man in einer Art reinen, unberührten Zustands erhalten könnte. Stattdessen hat das Kapital nur ein untergeordnetes Hinterland, das vollständig von weltweiten Wertketten erfasst ist. Die daraus entstehenden gesellschaftlichen Systeme – vom Tribalismus bis zu Neuauflagen antimoderner fundamentalistischer Religionen – sind vollständig Produkte der modernen Zeit. Und fast immer sind sie de facto an globale Märkte angeschlossen, oft ganz direkt. Dasselbe gilt für die daraus resultierenden biologisch-ökologischen Systeme, da die »wilden« Gebiete dieser globalen Ökonomie tatsächlich immanent sind. Und zwar sowohl im abstrakten Sinn einer Abhängigkeit vom Klima und damit verbundenen Ökosystemen als auch im direkten Sinn eines Anschlusses an diese selben globalen Wertschöpfungsketten.

Diese Tatsache schafft die notwendigen Voraussetzungen dafür, »wilde« Virenstämme in weltweite Pandemien zu verwandeln. Doch COVID-19 ist kaum deren schlimmste. Eine ideale Veranschaulichung für dieses grundlegende Prinzip – und die weltweite Gefahr – findet sich stattdessen in Ebola. Das Ebola-Virus19 ist ein klares Beispiel für ein bestehendes Reservoir an Viren, das sich in die menschliche Bevölkerung überträgt. Aktuelle Befunde legen nahe, dass seine ursprünglichen Wirte verschiedene Arten von Fledermäusen sind, die in West- und Zentralafrika vorkommen und als Träger fungieren, selbst aber durch das Virus nicht beeinträchtigt werden. Dies gilt aber nicht für die anderen wilden Säugetiere wie etwa Primaten und Antilopen, die sich das Virus periodisch einfangen und rasche Ausbrüche mit hohen Sterberaten erleiden. Jenseits seiner Wirtsarten hat Ebola einen besonders aggressiven Lebenszyklus. Durch Kontakt mit diesen wild lebenden Wirten können sich Menschen ebenfalls infizieren, mit verheerenden Ergebnissen. Es kam zu mehreren größeren Epidemien, und bei den meisten war die Sterblichkeitsrate außerordentlich hoch, fast immer über 50 Prozent. Der größte dokumentierte Ausbruch, der sich von 2013 bis 2016 sporadisch in mehreren westafrikanischen Ländern vollzog, verzeichnete 11 000 Tote. Bei Patienten, die es in ein Krankenhaus schafften, lag die Sterblichkeitsrate hier bei 57 bis 59 Prozent, und bei denen, die keinen Zugang hatten, lag sie noch wesentlich höher. In den letzten Jahren haben private Firmen verschiedene Impfstoffe entwickelt, aber langsame Zulassungsverfahren und strenge Gesetzgebungen zum Schutz geistigen Eigentums haben zusammen mit einer weitgehend mangelhaften Infrastruktur im Gesundheitswesen eine Situation geschaffen, in der Impfstoffe wenig dazu beitrugen, die jüngste Epidemie mit Schwerpunkt in der Demokratischen Republik Kongo zu stoppen, die jetzt der am längsten andauernde Ausbruch ist.

Oft wird die Seuche als eine Art Naturkatastrophe dargestellt – im besten Fall als Unglück, im schlimmsten als Folge »unreiner« kultureller Praktiken der im Wald siedelnden Armen. Doch der Zeitpunkt dieser beiden größeren Ausbrüche (2013-16 in Westafrika und 2018 bis heute in der DRK) ist kein Zufall. Beide traten genau dann auf, als die Expansion von Grundstoffindustrien im Wald siedelnde Bevölkerungen weiter vertrieb und örtliche Ökosysteme zum Erliegen brachte. Und tatsächlich scheint dies für mehr als nur die jüngsten Fälle zuzutreffen. Denn, wie Wallace erklärt, »jeder Ausbruch von Ebola scheint mit kapitalgetriebenen Verschiebungen bei der Nutzung von Land zusammenzuhängen, einschließlich des ersten Ausbruchs 1976 in Nzara im Sudan, wo eine aus Großbritannien finanzierte Fabrik regionale Baumwolle spann und verwob.« Ähnlich geschahen die Ausbrüche in Guinea 2013 kurz nachdem eine neue Regierung begonnen hatte, das Land für die Weltmärkte zu öffnen und riesige Gebiete an internationale Agrarkonzerne zu verkaufen. Eine besondere Verantwortung scheint der für ihre Rolle bei der weltweiten Entwaldung und ökologischen Zerstörung berüchtigten Palmölindustrie zuzukommen. Denn deren Monokulturen zerstören zum einen die robusten ökologischen Redundanzen, die dabei helfen, Übertragungsketten zu unterbrechen, zum anderen ziehen sie buchstäblich gerade die Fledermausarten an, die den Viren als natürliche Umgebung dienen.20

Derweil zieht der Verkauf von Land an Agroforstwirtschaftskonzerne sowohl die Enteignung der im Wald siedelnden Anwohner nach sich als auch die Zerrüttung ihrer von ihrem Ökosystem abhängigen örtlichen Formen von Produktion und Ernte. Oft bleibt den Landarmen dann keine andere Wahl, als noch tiefer in den Wald vorzudringen, während gleichzeitig ihre traditionelle Beziehung mit diesem Ökosystem unterbrochen wurde. Als Ergebnis hängt das Überleben zunehmend von der Jagd auf Wild ab oder von der Ernte örtlicher Pflanzen und von Holz, um es auf dem Weltmarkt zu verkaufen. Derartige Bevölkerungsgruppen werden dann zu den Sündenböcken für den Zorn globaler Umweltschutzorganisationen, die sie als »Wilddiebe« und »Waldfrevler« (illegale Holzfäller) anprangern und just für die Entwaldung und die ökologische Zerstörung verantwortlich machen, die sie erst in solche Gewerbe getrieben hatten. Oft nimmt dieser Prozess dann eine noch dunklere Wendung, wie in Guatemala, wo vom Bürgerkrieg im Land übrig gebliebene antikommunistische Paramilitärs zu »grünen« Sicherheitskräften gemacht wurden. Sie sollten den Wald »schützen« vor illegalem Holzeinschlag, Wilderei und Drogenhandel, was die einzigen Gewerbe waren, die den indigenen Einwohnern zugänglich waren – die in solche Aktivitäten durch eben die gewaltsame Repression getrieben worden waren, die sie vonseiten derselben Paramilitärs während des Kriegs erfahren hatten.21 Dieses Muster wiederholt sich seither auf der ganzen Welt, angefeuert durch Beiträge aus Hochlohnländern in den sozialen Medien, in denen die (oft buchstäblich live gefilmte) Exekution von »Wilderern« durch angeblich »grüne« Sicherheitskräfte gefeiert wird.22

Eindämmung: Übung in der Kunst der Staatsführung

COVID-19 hat wie nichts vorher globale Aufmerksamkeit erregt. Bei Ebola, Vogelgrippe und SARS gab es natürlich auch Aufregung in den Medien. Aber irgendwas an dieser neuen Epidemie zieht alle Augen weiter auf sich. Zum Teil liegt das höchstwahrscheinlich an der spektakulären Reaktion der chinesischen Regierung, die zu ebenso spektakulären Bildern von leergefegten Megastädten führt. Sie stehen in starkem Gegensatz zu den üblichen Medienbildern von China als überfüllt und verdreckt. Diese Reaktion war eine reiche Quelle für Spekulationen über den unmittelbar bevorstehenden politischen oder wirtschaftlichen Zusammenbruch des Landes – auch angesichts der zusätzlichen Spannungen durch den Handelskrieg mit den USA, der sich noch auf einer frühen Entwicklungsstufe bewegt. Zusammen mit der schnellen Ausbreitung des Virus entstand so das Bild einer unmittelbaren globalen Bedrohung, trotz seiner niedrigen Sterblichkeitsrate.23

Wenn man tiefer geht, ist das Faszinierendste an der staatlichen Reaktion, wie sie über die Medien als melodramatische Generalprobe für eine weitreichende innenpolitische Aufstandsbekämpfung inszeniert wurde. Wir erfahren dabei einiges über die repressiven Möglichkeiten des chinesischen Staates, aber auch über seine Unfähigkeit, die sich in seiner Abhängigkeit von Propagandamaßnahmen in allen Medien zeigt und in der freiwilligen Mobilisierung von Leuten vor Ort, die dazu eigentlich nicht verpflichtet sind. Die chinesische und die westliche Propaganda hat den tatsächlich repressiven Charakter der Quarantäne betont, die erste als effektive Regierungsmaßnahme in einer Notlage, die zweite als weiterer Fall totalitärer Überreaktion des dystopisch wirkenden chinesischen Staates. Die unausgesprochene Wahrheit ist aber, dass sein aggressive Durchgreifen eine tiefergehende Unfähigkeit des Staates zeigt, der sich selbst noch im Aufbau befindet.

Er entwickelt neue und innovative Techniken sozialer Kontrolle und Krisenreaktion, die auch dann eingesetzt werden können, wenn es nur wenige oder gar keine grundlegenden Staatsfunktionen gibt. Es ist interessant zu überlegen (wenn auch spekulativ), wie Regierungen egal in welchem Land reagieren würden, wenn Krise und Aufstand zu einem ähnlichen Zusammenbruch führen. Der Ausbruch des Virus ist in jeder Hinsicht durch die schlechte Verbindung der unterschiedlichen Regierungsebenen verschlimmert worden: Repression von »Whistleblower«-Ärzten durch Funktionäre vor Ort entgegen der Interessen der Zentralregierung, ineffiziente Berichtssysteme in Krankenhäusern und sehr schlechte medizinische Grundversorgung sind nur einige Beispiele. In der Zwischenzeit sind Regionalregierungen in unterschiedlicher Geschwindigkeit zur Normalität zurückgekehrt, fast völlig außerhalb der Kontrolle des Zentralstaats (abgesehen von Hubei, dem Epizentrum). Im Moment scheint es fast komplett zufällig, welche Häfen und Betriebe wieder laufen. Dieses Quarantäne-Puzzle führt dazu, dass Logistiknetzwerke unterbrochen bleiben, weil wohl jede Lokalregierung Züge und LKW durch ihr Gebiet stoppen kann.

Diese grundlegende Unfähigkeit des Staates hat ihn gezwungen, mit dem Virus wie mit einem Aufstand umzugehen, er spielt Bürgerkrieg mit einem unsichtbaren Gegner.

Die Staatsmaschinerie begann am 22. Januar so richtig zu laufen, als die Behörden die Notfallmaßnahmen auf ganz Hubei ausweiteten und der Öffentlichkeit mitteilten, dass sie das Recht hätte, Quarantäne-Einrichtungen aufzubauen und sich Personal, Fahrzeuge und Einrichtungen für die Eindämmung der Krankheit oder die Errichtung von Blockaden und Verkehrskontrollen anzueignen (und damit das legitimierte, was ohnehin passieren würde). Der volle Einsatz staatlicher Ressourcen begann also mit dem Aufruf zum freiwilligen Engagement der Menschen vor Ort. Einerseits wird ein derartiger Katastrophenalarm jeden Staat an die Grenzen seiner Möglichkeiten bringen (was man auch bei Hurricanes in den USA sieht). Andererseits ist das ein übliches Muster der chinesischen Staatsführung: Dem Zentralstaat fehlen effiziente Kommandostrukturen, die bis vor Ort reichen. Daher nutzt er auf eine Kombination von breit veröffentlichten Aufrufe an Funktionäre und BürgerInnen zum freiwilligen Einsatz vor Ort und Bestrafung für die, die schlecht reagiert haben (ausgegeben als Bekämpfung von Korruption). Die einzig effiziente Reaktion gibt es in bestimmten Gebieten, wo der Zentralstaat seine ganze Macht und Aufmerksamkeit konzentriert, in diesem Fall Hubei allgemein und vor allem Wuhan. Am Morgen des 24. Januar war die Stadt bereits vollständig abgesperrt, ohne jeglichen Zugverkehr, fast einen Monat, nachdem das Virus entdeckt worden war. Gesundheitsbeamte erklärten, dass die Gesundheitsämter jeden untersuchen und in Quarantäne schicken können. Dutzende andere Städte in ganz China, einschließlich Beijing, Guangzhou, Nanjing und Shanghai, haben auf unterschiedliche Art die Bewegung von Gütern und Menschen eingeschränkt.

Auf die staatlichen Aufrufe hin sind an manchen Orten seltsame, strenge Maßnahmen getroffen worden. Am erschreckendsten davon war die Ausgabe lokaler Pässe an 30 Mio. Bewohner von vier Städten in Zhejiang, wo nur eine Person pro Haushalt alle zwei Tage die Wohnung verlassen durfte. Städte wie Shenzhen und Chengdu haben die einzelnen Viertel abgeriegelt, und Hochhäuser für 14 Tage unter Quarantäne gesetzt, wenn es dort einen Krankheitsfalls gab. Hunderte wurden wegen der Verbreitung von »Gerüchten« über die Krankheit festgenommen oder bestraft, und manche, die der Quarantäne entflohen, wurden zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. In den Gefängnissen selbst gibt es gerade einen starken Ausbruch der Krankheit, weil die Aufseher unfähig sind, in einer für die Isolierung gemachten Umgebung kranke Gefangene zu isolieren.

Diese aggressiven, verzweifelten Maßnahmen spiegeln extreme Fälle von Aufstandsbekämpfung und erinnern an die militärisch-koloniale Besetzung etwa von Algerien und Palästina. Nie zuvor wurden sie in solch einem Ausmaß durchgeführt, schon gar nicht in den Megastädten, in denen ein Großteil der Weltbevölkerung heute lebt.

Wie der Staat hier durchgegriffen hat, ist eine Lehrstunde für alle, die sich für eine globale Revolution interessieren, weil es ein Probelauf der vom Staat angeführten Reaktion ist.

Unfähigkeit

Das staatliche Durchgreifen profitiert an dieser Stelle von seinem scheinbar humanitären Charakter, deshalb kann eine große Zahl Freiwilliger für die Bekämpfung des Virus rekrutiert werden. Aber wie zu erwarten geht eine solche Aktion auch nach hinten los. Aufstandsbekämpfung ist ein verzweifelter Krieg, zu dem es erst kommt, wenn stabilere Formen von Eroberung, Beschwichtigung oder wirtschaftlicher Unterwerfung unmöglich geworden sind. In einem teuren, gefährlichen Rückzugsgefecht demonstriert die jeweiligen Macht ihre Unfähigkeit – sei es der französische Kolonialstaat, das niedergehende amerikanische Imperium, oder andere. Das Ergebnis ist fast immer ein zweiter Aufstand, blutig gezeichnet von der Niederschlagung des ersten und noch verzweifelter. Hier endet die Parallele zwischen Quarantäne, Bürgerkrieg und Aufstandsbekämpfung. Aber auch dabei ging die Aktion zum Teil nach hinten los. Obwohl der Staat viel Aufwand mit der Kontrolle der Informationen und ständiger Propaganda über alle möglichen Medien betrieb, drückte sich über dieselben Kanäle Unmut aus.

Der Tod von Dr. Li Wenliang, ein früher Whistleblower des Virus, am 7.2.20 hat die in ihren Wohnungen eingeigelten BürgerInnen im ganzen Land erschüttert. Li war einer der acht Ärzte, die Anfang Januar wegen der Verbreitung »falscher Informationen« verhaftet worden waren, später zog er sich das Virus selbst zu. Im Netz äußerten Leute ihre Wut darüber, die Regierung von Wuhan äußerte ihr Bedauern. Die Leute fangen an zu sehen, dass der Staat aus stümperhaften Funktionären und Bürokraten besteht, die keine Ahnung haben, was sie tun, aber dennoch auf stark machen müssen.24 Das wurde besonders deutlich, als der Bürgermeister von Wuhan, Zhou Xianwang, im Fernsehen zugeben musste, dass seine Regierung die Veröffentlichung wichtiger Informationen über das Virus verzögert hatte. Die durch das Virus erzeugte Spannung und die totale Mobilisierung durch den Staat beginnen, den Leuten die Risse im Bild zu zeigen, das die Regierung auf hauchdünnem Papier von sich zeichnet. Die aktuelle Lage hat eine wachsende Zahl von Menschen, die bisher der Propaganda geglaubt haben, auf die grundlegende Unfähigkeit des chinesischen Staates gestoßen.

Fußnoten:

[1] Wet market: Markt für frische Lebensmittel, zum Teil werden Tiere lebend gehandelt bzw. frisch geschlachtet [A.d.Ü.]

[2] siehe »Research excludes Wuhan seafood market as origin of SARS-CoV-2: CAS«, China.org.cn, 23.2.2020;

[3] Vieles, was wir hier erklären, ist einfach eine zugespitzte Zusammenfassung von Wallace‘ Argumenten, für eine allgemeinere LeserInnenschaft formuliert und ohne die Notwendigkeit, andere Biologen durch penible Argumentation und ausführliche Belege zu überzeugen. Wir verweisen diejenigen, die das zugrundeliegende Material in Frage stellen, auf die Arbeit von Wallace und seiner Landsleute.

[4] Robert G. Wallace, »Big Farms Make Big Flu: Dispatches on Infectious Disease, Agribusiness, and the Nature of Science«. Monthly Review Press, 2016. p.52

[5] Ebd., S.56

[6] Ebd., S. 56-57

[7] Ebd., S. 57

[8] Das soll nicht bedeuten, Vergleiche zwischen den USA und China heute seien nicht informativ. Da die USA einen eigenen riesigen Agroindustrie-Sektor haben, tragen sie selbst zur Produktion gefährlicher neuer Viren bei, von antibiotikaresistenten Bakterien ganz zu schweigen.

[9] S. J.F. Brundage, G.D. Shanks, What really happened during the 1918 influenza pandemic? The importance of bacterial secondary infections”. The Journal of Infectious Diseases Bd. 196, Nr. 11, December 2007, S. 1717–1718, Antwort des Autors S. 1718-1719; und D.M. Morens, A.S. Fauci, »The 1918 influenza pandemic: Insights for the 21st century«. The Journal of Infectious Diseases. Bd. 195, Nr. 7, April 2007, S. 1018-1028.

[10] Dust Bowl: versteppte, von Sandstürmen heimgesuchte Landschaften in den Great Plains während der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren [A.d.Ü.]

[11] Sehr seltenes, unwahrscheinliches und unvorhersehbares Ereignis [A.d.Ü.]

[12] Vergoldetes Zeitalter: von Mark Twain geprägter Ausdruck für die Zeit ca. 1877-1900 in den USA, eine Zeit des Aufschwungs und Fortschritts verbunden mit Armut und Korruption. [A. d. Ü.]

[13] Hukou: offizielle staatliche Wohnsitzkontrolle in der VR China [A.d.Ü.]

[14] siehe »Picking Quarrels« in der zweiten Ausgabe unserer Zeitschrift

[15] siehe »Picking Quarrels« in der zweiten Ausgabe unserer Zeitschrift

[16] Middle East Respiratory Syndrom, durch das MERS-Coronavirus übertragene Erkrankung der Atemwege

[17] Auf ihr Art sind die zwei Arten der Produktion von Pandemien ein Spiegel davon, was Marx die »reelle« und »formelle« Subsumtion in der Produktion nennt. Bei der reellen Subsumtion wird der Produktionsprozess selbst durch die Einführung neuer Technologien verändert, die Geschwindigkeit und Umfang der Produktion intensivieren – so wie die Industrie die Bedingungen für die Evolution von Viren verändert, was dazu führt, dass neue Mutationen schneller entstehen und durchsetzungsfähiger sind. Bei der formellen Subsumtion, die der reellen vorausgeht, gibt es diese Technologien noch nicht. Stattdessen werden Produktionsarten an neuen Orten zusammengebracht, wo sie eine Schnittstelle zum Weltmarkt haben. So war es, als die WeberInnen in Betriebe gebracht wurden, die ihre Produkte verkauften. Und das ähnelt der Art, wie in einer »natürlichen« Umgebung entstandene Viren von wilden Populationen über den globalen Markt auf domestizierte Populationen übertragen werden.

[18] Es ist nicht richtig, diese Ökosysteme mit der vormenschlichen Welt gleichzusetzen. China ist das beste Beispiel, weil viele seiner scheinbar urzeitlichen Landschaften tatsächlich das Ergebnis sehr viel früherer Phasen menschlicher Expansion sind, die zum Aussterben von vorher in Ostasien verbreiteten Arten wie Elefanten führte.

[19] Technisch ist das nur eine allgemeine Bezeichnung für ca. fünf unterschiedliche Viren, von denen der tödlichste selbst einfach Ebola-Virus heißt, früher Zaire-Virus.

[20] Zu Westafrika, s. R.G. Wallace, R. Kock, L. Bergmann, M. Gilbert, L. Hogerwerf, C. Pittiglio, R. Mattioli, R. Wallace, »Did Neoliberalizing West African Forests Produce a New Niche for Ebola«, International Journal of Health Services, Bd. 46, Nr. 1, 2016; einen Überblick über die Verbindung zwischen ökonomischen Bedingungen und Ebola findet sich im Buch von Robert G. Wallace und Rodrick Wallace (Hg.); Neoliberal Ebola: Modelling Disease Emergence from Finance to Forest and Farm, Springer, 2016; die deutlichsten, aber weniger akademischen Aussagen zum Fall finden sich im Artikel von R.G. Wallace, »Neoliberal Ebola: the Agroeconomic Origins of the Ebola Outbreak«, Counterpunch, 29 July 2015.

[21] Siehe Megan Ybarra »Green Wars, Conservation and Decolonization in the Maya Forest«, University of California Press, 2017.

[22] Es ist sicherlich falsch zu implizieren, dass jede Wilderei von der armen ländlichen Bevölkerung betrieben wird, oder dass alle Ranger in den Wäldern der verschiedenen Länder frühere antikommunistische Paramilitärs sind, aber die gewalttätigsten Zusammenstöße und die aggressivste Militarisierung von Wald scheinen im Grunde diesem Muster zu folgen. Einen weitgefasstern Überblick über das Phänomen gibt es in der Sonderausgabe von Geoforum (69) zum Thema, das Vorwort ist online zu finden: Alice B. Kelly, Megan Ybarra, »Introduction to the med issue: ‘Green security in protected areas’«, Geoforum, Volume 69, 2016. S.171-175.

[23] COVID-19 hat die niedrigste Todesrate aller hier erwähnten Krankheiten; die relativ vielen Toten gehen vor allem auf die rasche Ausbreitung auf viele Menschen zurück, die zu höheren Todeszahlen führt, als ihrer Todesrate entspricht.

[24] In einem Podcast-Interview zitiert Au Loong Yu Freunde vom chinesischen Festland mit der Aussage, dass die Regierung von Wuhan durch die Epidemie gelähmt sei. Sie meint die Krise zerreiße nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die bürokratische Maschinerie der KPCh. Mit der Verbreitung des Virus werde das zu einer Krise lokaler Regierungen im ganzen Land.

Original:

Social Contagion

Deutsch 1:

http://www.wildcat-www.de/aktuell/a112_socialcontagion.html

Deutsch 2:

Soziale Ansteckung

Italiano 1:

Contagio sociale. Guerra di classe micro-biologica in Cina (Chuang)

Italiano 2

https://www.infoaut.org/global-crisis/contagio-sociale-guerra-di-classe-micro-biologica-in-cina

Espanhol:

Contagio social: guerra de clases microbiológica en China (Chuang)

Russisch:

https://zubynapolku.info/texts/social-contagion.html

Modena – Einige Aktualisierungen zur Revolte und Repression

Seit dem Inkrafttreten der Notverordnung zur Eindämmung der Ansteckung mit dem Virus hat die Wut in den Gefängnissen nicht lange auf sich warten lassen.
Tatsächlich wurde das Besuchsverbot, das in einigen Gefängissen bereits in Kraft war, auf alle Gefängnisse ausgedehnt.
Es würde sehr lange dauern, alle 27 Gefängnisse aufzulisten, in denen Unruhen ausbrachen. Revolten, die zu mehr oder weniger vorübergehenden Umwälzungen der Gefängnisrealität geführt haben (die auf nichts anderes als die Vernichtung und Entpersönlichung des Individuums abzielt): Gefängnisse und Einrichtungen für die Wärter in Flammen, besetzte Strukturen, Gefangene auf den Dächern, Umkehrung der Wärter – Gefangenen Rollen mit der Geißelnahme ersterer, verbrannte Dokumente, versuchte und erfolgreiche Fluchten. Aus dem Sant’Anna-Gefängnis in Modena stiegen am 8. März 2020 dichte Rauchsäulen auf, die bald für alle sichtbar waren und die Freunde, Angehörige und Sympathisanten zu den Häftlingen kommen liessen, welche das Hin und Her aller Arten von Polizeikräften beobachteten, die zur Niederschlagung des Aufstands eingesetzt wurden: Staatspolizei, Carabinieri, Strafvollzugspolizei, GOM; sowie ein Hubschrauber, um in der Gegend zu patrouillieren, und die Stadtpolizei [polizia municipale], die versuchte, die hinstürmenden Personen wegzuschicken, ohne Erfolg (die widerlichste Aufgabe derjeniger die ihr Leben damit verbringen, nach dem Haar in der Suppe zu suchen). Von außen waren deutlich Schüsse zu hören. Von innen heraus schrien einige Typen: “Wir werden abgeschlachtet”. Nach dem offiziellen Bericht hätten die Insassen und die Häftlinge die Kontrolle über die Struktur übernommen, die sie dann verwüsten hätten; manche versuchten zu fliehen, aber dies Versuche wurden sofort verhindert.
Unter den Schäden sticht der Brand im Büro für die Häftlingskennummern auf, die Kopien der Karteikarten der Inhaftierten enthielten. Während Inhaftierte eskortiert und mit Handschellen an den Handgelenken unter den Augen von Solidarischen und Angehörigen draußen geschlagen wurden, sah bereits jemand einen Sack mit einer Leiche.
Nachdem die Meuterei nachgelassen hatte, wurde ein Massentransfer von etwa 500 Häftlingen (in Richtung der Gefängisse von Porto Azzurro, Cagliari, Sassari, Cuneo, Trient, Vercelli, Belluno, Perugia, Rovigo, Sanremo, Genua, Ascoli, Terni, Parma, Reggio Emilia) beobachtet, da das Gefängis wegen der Zerstörungen nicht benutzbar ist.  Dann die erschreckende Nachricht: erst ein Toter, dann zwei, drei, sechs. Und in den darauffolgenden Tagen ist die Zahl auf neun gestiegen, neun Todesfälle, welche man Anhand der Leichenwagen, der aus dem Gefängnis kamen zählen konnte. Noch beunruhigender ist jedoch die Version in den Zeitungen, zunächst auf lokaler und dann auf nationaler Ebene: Die Todesfälle wären durch die Einnahme einer Überdosis Methadon und Drogen welche auf der Krankenstation an die Gefangenen in der Revolte verabreicht wurden, verursacht worden. Dieselbe Version wurde verbreitet, als die tragische Zahl der Todesfälle, mit vier Toten in Rieti und zwei weiteren in Bologna anstieg. Bis jetzt wurde nur die Version derer, die allen Grund haben, zu verdunkeln und zu lügen, veröffentlicht, nämlich durch den Gefängnissbericht: zwei wären an einer Überdosis Methadon gestorben, einer an einer Überdosis Benzodiazepin.
Vier weitere Todesfälle hätten sich nach der Verlegung in die Gefängnisse in Parma, Alessandria und Marino del Tronto ereignet und einer während der Überstellung in das Gefängnis von Trient, der in Verona starb. Auch diese Todesfälle wurden  mit Methadon in Verbindung gebracht, obwohl diese vor der Verlegung von einem Amtsarzt untersucht worden waren. Vom Zeitpunkt der Evakuierung des Sant’Anna-Gefängnisses bis zur Ankunft der Gefangenen in den für Rebellen eingerichteten Gefängnissen kam es fortlaufend zu Prügeln, es gab Augenzeugenberichte von Repressalien der Wachen an wehrlosen Gefangenen, die dann ohne medizinische Behandlung in Isolationszellen geworfen wurden.
Zwei weitere würden zwei Tage später in der Sektion tot aufgefunden werden.

Wir erlauben uns zu sagen, dass diese Version nicht glaubwürdig ist und im Falle der überführten, dann verstorbenen
bereits durch die Art und Weise, wie die Fakten berichtet wurden, widerlegt ist.
Wir argumentieren, dass jeder Tod im Gefängnis eben solcher, ein Tod im Gefängnis ist, der mit seiner bloßen Existenz des Gefängnisses und der erzwungenen Vernichtung des Individuums verbunden ist.
Dennoch glauben wir nicht an den dramatischen Zufall, der zum Tod von fünfzehn Menschen führt, die alle bei drei verschiedenen Unruhen an einer Überdosis starben. Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass der Staat in den dringendsten Momenten sein Gesicht verändert, er seine Fassade verliert und sich offen zeigt, die Ordnung der Dinge mit den totalitärsten, explizitesten und gewalttätigsten Methoden verteidigt und den guten demokratischen Anschein beiseite lässt. Wir kennen die Lügen, die der Staat systematisch verbreitet, um seine Morde und Massaker zu vertuschen. Und dies um so mehr in einer so totalitären Institution wie dem Gefängnis, weit weg von den Augen und dem Herzen, wo jeden Tag Missbräuche und Schikanen vorkommen; die Existenz des Gefängnisses selbst ist eine Schikane. Wenn die Spannung steigt, tötet der Staat.
Heute, genau wie vor einem Jahrhundert, 1920, als sich Italien auf den Totalitarismus vorbereitete, wurde in Modena auf die streikende Menge auf der Piazza Grande geschossen und sieben Arbeiter bei einer Kundgebung getötet.
Als man dann 1950 auf die Strasse ging um zu demonstrieren, dass eine Befreiung nie stattgefunden hat, töteten sie sechs kämpferische Arbeiter, was zum Massaker in den ehemaligen Gießereien führte. Heute, während das Virus verwendet um Wahnsinn zu erzeugen, isolieren und kontrollieren die Ordnungskräfte Menschen und Territorien und massakrieren diejenigen, die in den Gefängnissen rebellieren, weil sie nicht bereit sind, das wenige zu verlieren, was noch übrig ist, wie etwa der Möglichkeit, ab und zu einen Angehörigen zu umarmen oder dem Wunsch nach Bestätigung und Vergeltung an ihren Peinigern, mit denen sie täglich konfrontiert sind: die Wachen und der Gefängnisalltag. Dabei gibt es auch Menschen, die, um Solidarität, Unterstützung und Wärme außerhalb dieser Mauern zu bringen, sich nicht um irgendwelche staatlichen Auflagen scherten und in eine blinde und verlassene Stadt hinausgingen.
 Es scheint  das Gefängnis wurde bis zum heutigen Moment geleert, weil es für die durch den Aufstand verursachten Schäden nicht oder nur teilweise nutzbar ist. Das Gefängnis von Sant’Anna di Modena wurde mittels Feuer geschlossen!
Nachrichten, die einem Gesichtszügen des Wohlgefallens auf das Antlitz bringen, mit verzerrter Fratze und verschärft von der Wut über die Toten  und die Zunahme der restriktiven Maßnahmen innerhalb und außerhalb. Die Lust zu schreien ist groß, aber selbst der Wind scheint zu Hause geblieben zu sein.
Kontrollen, Kontrollpunkte, Rechtfertigungen, um das Haus zu verlassen, und ein Versammlungsverbot sind nichts anderes als die Ausdehnung des Gefängnissystems über seine Mauern hinaus. Wenn von drinnen bereits ein Signal ausgesendet wurde, dann ist die Umkehr dringender denn je und die einzige Antwort auf das glänzende Delirium der Sicherheit; von außen der Aufruf zur Vernunft und zum Eingesperrtsein zu Hause, unter Nutzung der eigenen Privilegien als freier Mensch, spiegelt die Schläfrigkeit des Gewissens und blinden Gehorsam gegenüber dem Dogma der Sicherheit wider.
Es scheint, dass man auf dunklere Zeiten wartet um zu handeln, aber man merkt nicht, dass die Zeit drängt und wir bereits spät dran sind, im Hinblick auf die Praxis unvorbereitet ertappt, theoretisch schon besiegt.
FREIHEIT FÜR ALLE!

Quelle:

Modena – Alcuni aggiornamenti sulla rivolta e repressione

Mailand, 14 – 18 März, aus dem Stadtgefängnis [Milano- 14-18 marzo, dal carcere dalla città]

In Mailand hat heute Morgen eine Gruppe von Solidarischen die Polizeikontrollen umgangen um mit dem Fahrrad an das Gefängnis von San Vittore zu fahren. Während eine Gruppe rufend nach Neuigkeiten von den Häftlingen von der Piazza Aquileia fragte, ging eine andere vor der Frauenabteilung und der fünften Abteilung vorbei, um ihre Solidarität auszurufen, sowie um von den Unruhen zu erzählen, die bezüglich des Opera – Gefängnisses und im restlichen Italien passierten und wie sie unterdrückt wurden. Auch die Situation vom draußen, des Ausnahmezustands wurde erläutert. Leider gab es keine Reaktion von drinnen, anders als in den vergangenen Tagen, wo uns diese unsere Herzen erwärmt hat. Wurde die ganze Abteilung wirklich unbenützbar gemacht und sind die Insassen deshalb verlegt worden? Hat die harte Repression entmutigt und die Kommunikation zwischen Innen und Aussen noch schwieriger gemacht? Die Präsenz der Solidarität ist und wird in diesen Tagen notwendig sein, unser Wille, die Verordnungen in Frage zu stellen, um als erste die Verantwortung für unsere eigene Sicherheit und die der Menschen um uns herum zu übernehmen. Eine Gruppe von Solidarischen erreichte auch die Mauern des Opera – Gefängnisses. Nach einigen Feuerwerken konnten sie ein paar Worte mit den Gefangenen wechseln, die um Hilfe riefen und sagten, sie seien hungrig und ängstlich. Sie wiederholten auch, dass sie kein Fernsehen, keine Dusche, kein Essen hatten, keine Pakete, keine Post, keine Telefonanrufe, keine Ersatzinterviews erhielten, dass sie nur eine halbe Stunde Luft hatten und dass sie zu Tode geprügelt worden waren. Die Patroullie vor dem Gefängnis schaltete die Sirene ein um das Gespräch zu blockieren. Wir erfuhren auch, dass einer der Jungen, der als einer der Täter des Aufstandes identifiziert wurde, versetzt wird.

14. März 2020 – Zeugenaussagen von Angehörigen von Gefangenen im Opera Gefängnis:

“Guten Morgen. Ich schreibe aus Mailand über das Opera – Gefängnis und seit Sonntag habe ich keine Neuigkeiten mehr über meinen in der Oper inhaftierten Bruder. Am Montag, dem 9. Januar, brach ein Feuer aus. Wir gingen zum Gefängnis, wo wir eine Front aus Gefängnispolizei, Carabinieri, Polizisten vorfanden, die uns nicht durchlassen wollten, und auf unsere Fragen was passiert sei, erhoben sie Gewehre und Schlagstöcke. Wir sind verzweifelt, bitte helfen Sie uns. Wir erhielten nur wenige Anrufe, in denen es darum ging, dass den Gefangenen die Köpfe eingeschlagen und die Hände gebrochen wurden. Sie kamen zu dritt in die Zellen und schlugen drauf los. Wir haben Bilder von einem Overall, der von einem Mädchen in dem Paket abgeholt wurde, auf denen man Stiefelabdrücke sehen kann, und sie erhielt kurz danach einen Anruf von ihrem Partner, in dem er erklärt, dass sie ihn auf den Boden geworfen und mit den Füßen den Rücken fixiert haben und ihn mit einem Knüppel auf den Kopf geschlagen haben. Und er musste im Bett bleiben, weil er ohnmächtig wurde und seine Hand höchstwahrscheinlich einen gebrochenen kleinen Finger hat. Helft uns; von den Feldern hinter dem Gefängnis kann man den abgebrannten Teil sehen. Bis heute haben sie nicht einmal Verpfelgung erhalten. Ich schreibe alles auf, was wir erfahren haben.”

Ein Familienangehöriger eines Häftlings aus der zweiten Abteilung: “Mein Mann rief mich gerade an und sagte mir, dass er nicht geschlagen wurde, dass jedoch alle Häftlinge des Teils vor seiner Abteilung wo es Unruhen gab, geschlagen wurden, auch dass es stimmt, dass da Aufstandseinheiten reinkamen, die das Licht ausmachten und alle verprügelt haben, aber er konnte mir nichts anderes sagen, aber es stimmt, dass einige Häftlinge in der Notaufnahme gelandet sind.

“Ich habe gerade ein Familienmitglied gehört, das nicht einmal sprechen kann, sie wurde von ihrer Schwägerin angerufen, die ihr erzählte, dass ihre Neffen in der Oper verprügelt wurden und dass einigen Jungs für die Prügel, die sie einstecken mussten, sogar die Augen aus den Aughöhlen herauskamen”.

Familienangehöriger eines Gefangenen aus der ersten Abteilung: “Er hat mich gerade angerufen, er hat mir alles erzählt, dass sie ihn zu dritt verprügelt und zerschlagen haben, dass seine Hände gebrochen sind, aber es geht ihm gut, dass sie alle geschlagen haben, weil sie in der Verwirrung nicht darauf geachtet haben, wer da war und wer nicht da war, sie haben das Licht ausgemacht und alle geschlagen. Sie hielten ihn mit den Füßen auf dem Boden fest und schlugen ihn mit Schlagstöcken. Nachdem sie ihn geschlagen hatten, um ihn in die Zelle zurückzubringen, mussten sie ihn über den Boden schleifen, weil er nicht aufstehen konnte, und zwei Tage lang konnte er nicht aufstehen, weil er sich schwach fühlte. Danach, als sie merkten, dass er nichts damit zu tun hatte, entschuldigten sie sich. Er sagte, sie sollen etwas zu essen mitbringen, weil sie alle hungrig sind”.

Ein Familienangehöriger eines Insassen der ersten Abteilung: “Er sagte, ich befinde mich in einer beschissenen Situation. Sie geben nur Wasser und Zigaretten aus. Sie haben die Kochplatten herausgenommen. Die Lebensmittel sollten heute eintreffen, aber sie sind nicht angekommen. Heute hatten sie Gott sei Dank eine Stunde Hofgang. Ich sagte: “Du hast endlich angerufen, ich habe seit einer Woche nicht geschlafen”, und er sagte: “Du schläfst nicht? Wo ich hinsehe finde Ich auch heute immer noch neue blaue Flecken”.

Er erzählte mir, dass einer der Jungs Knüppelspuren auf dem Rücken hat und diese dem Direktor zeigt, der antwortete: “Diese Knüppelspuren, die Sie auf dem Rücken haben, die habe ich in meinem Herzen für alles, was euch passiert ist”.

17. März 2020

Mit Masken und Fahrrädern wollte eine Gruppe von Solidarischen losfahren um den Häftlingen von St.Vittore in Mailand ihre Nähe spüren zu lassen. Im Inneren haben sie sicherlich unseren Lärm gehört, aber sie haben nicht auf unsere Botschaften geantwortet, wir stellen uns vor, dass sie nach dem Aufstand vom Montag, dem 9. März, Einschüchterungen und falsche Versprechungen zur Wiederherstellung der inneren Ordnung erhalten haben. Aus den Medien erfahren wir jedoch, dass ein Gefangener positiv auf Covid-19 getestet wurde, und daher schließen wir daraus, dass die Ruhe nur ein Schein ist. Seit heute sind die ersten Fälle in den Gefängnissen neben San Vittore auch in Pavia, Voghera und Brescia bekannt geworden, und das Virus auch diese Gefängnisse erreicht hat.

Am späten Nachmittag begaben sich weitere Personen zum Opera Gefängnis, wo sich die Gefangenen seit letzter Woche über die Verschlechterung der Haftbedingungen beklagen. Der Kontakt mit der Außenwelt wurde unterbrochen (Besuche, Pakete, Anrufe, Radio, Fernsehen, Post), Lebensmittel werden nicht an alle weitergegeben, Verletzte oder Kranke wurden nicht ins Krankenhaus gebracht, und man sagt uns, dass sie nicht einmal mit Schutzmasken versehen wurden. Die Begrüßung wurde mit warmen Schlägen, Chören und Botschaften für die Angehörigen erwidert. Uns wird auch mitgeteilt, dass sich kranke Menschen in Einzelhaft befinden und dass sie heute über die Anzeigen der Unruhen der vergangenen Woche informiert wurden. Die Anklagepunkte sind: Beleidigung eines Amtsträgers, Auslösen eines Alarms, Anstiftung zu einer Straftat, Widerstand gegen die Festnahme, Brandstiftung, Fälschung, schwere Körperverletzung.

Trotz der Tatsache, dass die Gefangenen ihre Stimme auf donnernde Weise zu Gehör gebracht haben, scheint uns klar zu sein, dass der Staat bereit ist, die kalte Schulter zu zeigen, indem er zunächst jede Nachricht darüber verdunkelt und dann ein nutzloses  Dekret aus kosmetischen Gründen erlässt und seine repressiven Absichten mit trauriger Pünktlichkeit bekannt gibt. Angesichts des mangelnden Interesses am Schutz der Häftlinge, die diesen Moment der Besorgnis und Unsicherheit isoliert und ohne Antworten weiterleben, bekräftigen wir unsere Entschlossenheit, sie nicht allein zu lassen.

Von: TILT, Stimmen einer Gesellschaft im Kurzschlussmodus.

Quelle:

Milano- 14-18 marzo, dal carcere dalla città

18.Oktober 2019

An diesem Tag gab es einen Think Tank, der unter anderem vom World Economic Forum organisiert. Hier deren Statement und Einführung zum Nachlesen, nur zum Hinweis darauf, dass wir eine Masse von Menschen sind, welche von einem Tag zum nächsten in eine Schockstarre versetzt werden (sollen), während die Herrschaft ihre Think Tanks durchführt, um “im Fall des Falles” schon Klarheit zu haben, während wir noch weitestgehend im Dunkeln tappen (sollen) und letztlich vor vollendete Tatsachen gestellt werden, die aber wie etwas spontan aus dem Ärmel Gezaubertes aussehen soll.

http://www.centerforhealthsecurity.org/event201/

Event 201

Das Johns Hopkins Center for Health Security veranstaltete in Partnerschaft mit dem Weltwirtschaftsforum und der Bill and Melinda Gates Foundation am 18. Oktober 2019 in New York, NY, die Event 201, eine Pandemieübung auf höchster Ebene. Die Übung veranschaulichte Bereiche, in denen öffentlich-private Partnerschaften während der Reaktion auf eine schwere Pandemie notwendig sind, um groß angelegte wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen zu mindern.

Erklärung über nCoV und unsere Pandemieübung

In den letzten Jahren hat die Welt eine wachsende Zahl von Epidemien erlebt, die sich auf etwa 200 Ereignisse pro Jahr beläuft. Diese Ereignisse nehmen zu, und sie sind für die Gesundheit, die Wirtschaft und die Gesellschaft störend. Die Bewältigung dieser Ereignisse belastet bereits jetzt die globalen Kapazitäten, selbst wenn keine Pandemiegefahr besteht. Experten sind sich einig, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis eine dieser Epidemien global wird – eine Pandemie mit potenziell katastrophalen Folgen. Eine schwere Pandemie, die zum “Ereignis 201” wird, würde eine verlässliche Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Industrien, nationalen Regierungen und wichtigen internationalen Institutionen erfordern.

weiters:

Erklärung über nCoV und unsere Pandemieübung

Im Oktober 2019 veranstaltete das Johns Hopkins Center for Health Security zusammen mit Partnern, dem Weltwirtschaftsforum und der Bill & Melinda Gates Foundation, eine Pandemie-Tischübung mit dem Namen Event 201. Kürzlich erhielt das Zentrum für Gesundheitssicherheit Fragen dazu, ob diese Pandemieübung den aktuellen Ausbruch des neuartigen Coronavirus in China vorhersagte. Um es klar zu sagen: Das Zentrum für Gesundheitssicherheit und seine Partner haben während unserer Übung am Tisch keine Vorhersage gemacht. Für das Szenario haben wir eine fiktive Coronavirus-Pandemie modelliert, aber wir haben ausdrücklich erklärt, dass es sich nicht um eine Vorhersage handelt. Stattdessen diente die Übung dazu, die Bereitschafts- und Reaktionsherausforderungen hervorzuheben, die bei einer sehr schweren Pandemie wahrscheinlich auftreten würden. Wir sagen jetzt nicht voraus, dass der Ausbruch von nCoV-2019 65 Millionen Menschen töten wird. Obwohl unsere Tischübung ein Schein-Coronavirus umfasste, sind die Inputs, die wir für die Modellierung der potenziellen Auswirkungen dieses fiktiven Virus verwendet haben, nicht mit nCoV-2019 vergleichbar.

 

Aufstand im Abschiebeknast von Aluche (Madrid, Spanien) von den Inhaftierten mit Coronavirus Symptomen

Vor zwei Tagen, am Dienstag, 17. März, kam es bei dem Abschiebeknast in Aluche (Madrid) zu einem Aufstand. Mehrere der Migrant*innen kletterten auf ein Dach im Hof und kündigten an, dass sie einen Hungerstreik beginnen würden, um die Situation vieler von ihnen zu lösen, die vom Coronavirus betroffen waren, aber von demselben Staat in ein Abschiebeknast eingepfercht wurden, der die angebliche Infektionsprävention als Vorwand benutzt, um die Armee auf die Straßen zu bringen, die nun nicht nur von Bullen und Kameras, sondern auch von Militärpersonal mit Sturmgewehren bewacht wird.

Weiter unten findet ihr einen Artikel aus El Salto über die Geschehnisse.

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Heute Nachmittag machten die Insass*innen des Abschiebeknast Aluche (CIE auf spanisch) einen Aufstand, indem sie auf das Dach des Männerhofes kletterten und „Freiheit, Freiheit“ riefen, um einen Hungerstreik zu beginnen, aus Angst, dass einige von ihnen „Symptome dieser Pandemie“ zeigen könnten, sagen sie.

Sie sind der Ansicht, dass sie angesichts der humanitären Notlage/Ausnahme, die der spanische Staat durchboxt, nicht „wie Menschen behandelt“ werden. „Mit einer weltweiten Pandemie ist unser Gesundheitszustand in großer Gefahr. Es gibt viele Häftlinge mit Symptomen dieser als Coronavirus bekannten Pandemie“, verkünden sie in einem Brief an, dem zwei Blätter mit fast hundertfünfzig Unterschriften beigefügt sind.

Sie geben an, dass sie trotz der Symptome, die einige von ihnen aufweisen, nicht „medizinisch untersucht“ wurden, um zu wissen, ob sie infiziert sind, sondern im Gegenteil „mit Schmerzmitteln“ behandelt werden.

Wie El Salto berichtete, informierte die Leitung des Zentrums am Donnerstag, den 12. März, die Menschenrechtsorganisationen, die die Gefangenen besuchten, darüber, dass sie als vorbeugende Maßnahme gegen eine Ansteckung der Eintritt verweigert wurde. Am selben Tag wurde der Rechtsberatungsdienst für Ausländer (SOJE-CIE) der Anwaltskammer von Madrid auch der Eintritt verweigert. Die einzige Maßnahme, die ihnen im Zentrum bekannt war, war das Aufstllen von Gel-Dosen (fürs Desinfizieren).

In diesem Zusammenhang weisen sie darauf hin, dass sie trotz dieser Symptomatik nicht „medizinischen Tests“ unterzogen wurden, um zu wissen, ob sie infiziert sind, sondern dass sie im Gegenteil „mit Analgetika“ behandelt werden.

Angesichts dieser Situation hat die Plattform aus Madrid „CIEs NO“ ihre „maximale Unterstützung“ für die Forderungen der Gefangene zum Ausdruck gebracht und, ausgehend von ähnlichen Konfliktsituationen, die im Zentrum aufgetreten sind, ihre „Sorge um die Verhältnismäßigkeit der Disziplinarmaßnahmen, die von den Behörden ergriffen werden können“, zum Ausdruck gebracht.

„Wir sind uns über die Ernsthaftigkeit des Eingesperrtseins von Personen im C.I.E. bewusst, dessen Ausweisung aus dem Land nicht möglich sein werden. Deswegen verurteilen wir nachdrücklich den Widerstand des Innenministeriums, der die Freiheitsentziehung dieser Menschen ein Ende setzten soll. Die soziale Verantwortung und die Gerechtigkeit machen einmal mehr deutlich, dass die Abschiebeknäste geschlossen werden müssen“, sagen sie.

Die Beschwerde, die die Proteste der Häftlinge ausgelöst hat, hat mit dem Kommen und Gehen des Personals des Zentrums zu tun, sowohl mit dem Kommen und Gehen der Polizei, der Lebensmittelversorgung und der Ärtz*innen zu tun. Auch aufgrund des Fehlens von Isolationsmassnahmen werden zwischen 4 und 6 Personen in den Zellen untergebracht und mehr als hundert Personen beim Hofgang versammelt.

„Das Essen, das wir erhalten, wird von Mitarbeiter*innen zubereitet, die nach Hause gehen und zurückkehren und uns so dem Coronavirus aussetzen, weil die Bars, Restaurants, Kantinen usw. geschlossen sind. Warum müssen wir uns als Insassen, wegen eines Verwaltungsfehlers dem aussetzen? Wir verlangen nach dem Recht auf Gleichheit“, fragen sie.

Sie stellen auch in Frage, dass die Polizist*innen selbst nicht Träger*innen des Virus sein könnten, da „sie ihre Veränderungen mit völliger Normalität vornehmen, sie gehen in ihre Wohnungen, auf diese Weise können sie uns anstecken“, bekräftigen sie mit Besorgnis.

Der einzige Zweck der Vorsichtsmaßnahme der Internierung in diesen Zentren besteht darin, Menschen für ihre Ausweisung festzuhalten. Eine der Folgen der Ausbreitung der Covid-Virus-Pandemie19 war jedoch die Schließung der Grenzen. Mehr als 60 Länder, darunter Algerien, Marokko und Kolumbien, nehmen keine Personen aus Spanien auf.

Der einzige Zweck der vorsorglichen Internierungsmaßnahme besteht darin, Personen zur Auslieferung zu halten. Eine der Folgen der Ausbreitung der Covid-Virus-Pandemie19 war jedoch die Schließung der Grenzen.

Unter diesen Umständen hat die Kampagne für die Schließung der Abschiebeknäste-CIEs, die sofortige Freilassung der Häftlinge und die Schließung dieser Zentren gefordert. „Es wäre eine schwerwiegende politische Verantwortungslosigkeit, wenn Spanien, eines der fünf Länder mit den meisten Infizierten, vor dem Hintergrund der mangelnden Kontrolle des Virus weltweit mit den Abschiebungen weitermachen würde“, warfen sie letzte Woche in einer Pressemitteilung vor.

In den letzten Stunden wurde in Presseberichten über die Freilassung von Häftlingen in verschiedenen Abschiebeknäste-CIEs und unter verschiedenen Umständen berichtet, von denen einige in ihre Häuser zurückkehren durften, andere in den so genannten humanitären Betreuungseinrichtungen untergebracht wurden, um ihrer Haftzeit abzusitzen. Und Fälle, in denen sie, wie die Organisation Convivir sin Racismo (Ohne Rassismus zusammenleben) anprangerte, auf die Straße gesetzt und zurückgelassen wurden, in Bezug auf die im Industriegebiet Merca-Murcia ausgesetzten Menschen, eine Tatsache, die sie als „Unsinn und institutionelle Misshandlung“ betrachtetend.

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